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Corona Epidemien sorgten für Angst und Schrecken

In Egeln hatte es in früheren Jahrhunderten schon mehrere Epidemien gegeben. Museumsleiter Uwe Lachmuth hat in der Chronik geblättert.

18.03.2020, 05:00

Egeln l Im Mittelalter wurden solche Epidemien meist als Strafe Gottes für die Verfehlungen der Menschen angesehen. Es gab auf dem Lande kaum Ärzte und wenn, dann verordneten diese meist einen Aderlass, der die Menschen oft noch mehr schwächte. Hebammen oder Kräuterweiblein hatten da oft mehr Erfahrung in der Naturmedizin und gaben diese über Generationen mündlich weiter. Allerdings standen sie oft mit einem Bein schon auf dem Scheiterhaufen, wenn eine Behandlung nicht zum Erfolg führte oder Neider sie anzeigten.

Eine im Mittelalter bis in die Neuzeit häufig auftretende Krankheit war die Ruhr. Hildegard von Bingen schreibt darüber: „Haben also bei einem Menschen die schlechten Säfte die Überhand gewonnen, …, dann erzeugen sie bei ihm sozusagen eine ungehörige Überflutung, die einen dicken, üblen Rauch und Qualm zu seinem Gehirn aufsteigen lässt und jene kleinsten Gefäße, die das Gehirn umgeben, sämtlich zu einer verkehrten Art der Strömung veranlasst. Dann fließt das Blut in ihnen übermäßig aus und bringt alle die großen Gefäße, denen sie … angeheftet sind, in Bewegung, so dass auch diese in verkehrter Richtung sich ergießen, ihr Blut durch den ganzen Körper hin ausströmen und zu den Eingeweiden und zum Stuhl hinsenden. So macht dies Blut … den Stuhl blutig.“

In der Mitte des 15. Jahrhunderts wird erstmalig in der Region von einer Pestepidemie, die als Geißel Gottes Erwähnung fand, geschrieben. Da Sauberkeit und Hygiene keine große Rolle spielten, konnte sie sich schnell ausbreiten. Insbesondere ist überliefert, dass die Pest in Ammendorf, früher zwischen Hakeborn und Kroppenstedt gelegen, grausam wütete. Nur ein einziger Mann überlebte in diesem Ort und da er sich wohl allein dort graulte, ging er nach Hakeborn, wo ihn aber niemand herein lassen wollte, weil man Angst vor ihm hatte, da er als Einziger überlebt hatte und so vielleicht mit dem Teufel im Bunde war. Also ging der Mann weiter nach Kroppenstedt, wo die Bauernschläue die Angst vor Krankheit besiegte, denn man war sich dort bewusst, dass der letzte Bewohner von Ammendorf fast alle anderen beerbt hatte und so reicht heute die Feldflur von Kroppenstedt noch weit in das Gebiet von Hakeborn hinein, eben das ehemalige Ammendorf, wo beim Pflügen heute noch Keramikscherben gefunden werden, die von den ehemaligen Bewohnern des Ortes zeugen.

Fortschrittliche Ärzte beobachteten den Verlauf der Krankheit und stellten dann fest, dass es zwei Arten der Pest gab. Zum einen war es die Beulenpest, die durch Flöhe verbreitet wurde, denen Ratten als Wirtstiere dienten. Eine andere Form war die Lungenpest, die sich durch Tröpfcheninfektion, zum Beispiel durch Niesen oder Husten, verbreitete.

Aus dieser Zeit kommt auch der Brauch, dass man sich Gesundheit wünscht, wenn jemand niest. Dieser Gruß kam von Herzen wegen der Angst vor Ansteckung und man war erleichtert, wenn das Gegenüber mit „Habt Dank, aber es ist nur ein leichter Schnupfen“ antwortete.

Zwei Jahrhunderte verschonte die Pest unsere Region und man hatte sie schon fast vergessen. Doch vom 16. bis zum 17. Jahrhundert kam es zu einen Kälteeinbruch, die sogenannte kleine Eiszeit und in folgedessen kam es zu Missernten, Hungersnöten und vermehrten Krankheitsfällen. Unwissenheit und Unzufriedenheit führten schließlich auf der Suche nach den Schuldigen zu den furchtbaren Hexenprozessen, die in Egeln im Jahre 1612 über 30 Bürgern das Leben kosteten.

Im Jahre 1639 wurde in der Stadtkirche in Egeln jeden Abend eine Pestandacht gehalten. Dann starb jedoch der Pastor an der Pest und es fand sich auf einige Jahre kein Nachfolger.

1618 begann dann der schreckliche Krieg, der über 30 Jahre in Europa wütete. Mit ihm kamen dann auch fremdländische Söldner in unsere Region und brachten im Schlepptau die Pest mit. 1625 starben allein in Egeln 200 Menschen diesen schrecklichen Tod. In den befestigten Mauern der Stadt suchten dann immer mehr Menschen Schutz und die Wohn- und Hygieneverhältnisse wurden dadurch nicht besser.

Als dann 1639 die Pest ein weiteres Mal zurückkehrte, forderte sie 926 Opfer, davon 655 Menschen aus den umliegenden Dörfern.

Dann schien diese schreckliche Krankheit ihr Leben ausgehaucht zu haben. Doch da die hygienischen Bedingungen nicht viel besser wurden und die ärmere Bevölkerung oftmals dicht gedrängt zusammen wohnte, konnten sich Krankheiten viel schneller ausbreiten als heute.

Erste größere Maßnahmen gegen Epidemien gab es in Egeln erst zu Ende des 19. Jahrhunderts, als die Choleraepidemie viele Opfer in der Region forderte. Wurden die Bürger bis dahin im Todesfall zuhause aufgebahrt und dann zur Beerdigung durch die Stadt oft mit Musik zu einem der Friedhöfe geleitet, ließ man um 1880 eine Trauerhalle bauen, wo die Toten dann aufgebahrt wurden. Der jetzige Friedhof bei der Katherinenkirche wurde angelegt. In der Mühlenstraße wurde das „Auguste-Victoria-Krankenhaus“ errichtet, um hier ortsfremde Kranke zu isolieren und zu behandeln. Später wurde es ein allgemeines Krankenhaus und ab zirka 1945 Kinderheim, danach Kindergarten. In den 1970er Jahren wurde es abgerissen und an gleicher Stelle ein Wohnhaus errichtet. Allerdings gab es noch weiterhin hygienische Missstände in Egeln. Ein Arzt kritisierte um 1890, dass das Abwasser in offenen Kanälen durch die Stadt floss und im Sommer zu einem übel riechenden Rinnsal wurde. Deshalb machte der Landrat des Kreises Wanzleben, von Kotze, es zur Auflage ehe die Egelner 1896 ein neues Rathaus bauen durften, dass zuerst eine unterirdische Kanalisation gelegt werden musste.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam ein großer Flüchtlingsstrom aus den ehemaligen Ostgebieten. Bevor diese eine Wohnung beziehen konnten, wurden sie in Baracken untergebracht und mussten sich in der „Läusebaracke“ in der Tarthuner Straße untersuchen lassen, damit keine ansteckenden Krankheiten eingeschleppt wurden. Viele der Flüchtlinge litten unter Magen-Darm Krankheiten oder Typhus. Läuse waren dabei noch das kleinere Übel. In den 1950er Jahren wurde unter Leitung des Medizinalrates Hans Georg Grimmer in der ehemaligen Commerzbank ein für damalige Zeiten sehr modernes Landambulatorium eingerichtet. Später wurde das Haus ehemals „Hotel Goldener Löwe“ hinzugenommen und neben den verschiedenen Ärzten gab es eine Röntgenabteilung, Labor, Physiotherapie usw. Heute ist das Haupthaus des „Ambu“ immer noch Ärztehaus, aber in den letzten Jahren gab es wieder Rückschritte, was die Medizinische Versorgung in Egeln betrifft.