Jugendlicher Straftäter Fall Josefine H. aus Aschersleben: Das ist der aktuelle Stand
Der Todesfall von Josefine H. aus Aschersleben bewegte ganz Deutschland. Der damals 14-jährige Ex-Freund soll das gleichaltrige Mädchen brutal mit unzähligen Messerstichen getötet haben. Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen? Die Volksstimme hat nachgefragt.

Aschersleben - Josefine H. aus Aschersleben wird für immer 14 Jahre alt bleiben. Ihr Ex-Freund, zum Tatzeitpunkt ebenfalls erst 14 Jahre alt, steht unter dringendem Tatverdacht, die Jugendliche kaltblütig ermordet zu haben. Seit seinem Geständnis sitzt er in Untersuchungshaft in der Jugendanstalt Raßnitz. Wie ist der aktuelle Stand und wann wird die zuständige Staatsanwaltschaft in Magdeburg Anklage erheben?
"Die Ermittlungen in dem Verfahren dauern an; ein Verfahrensabschluss ist derzeit nicht absehbar", antwortet Frank Baumgarten, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Magdeburg, auf den Fragenkatalog der Volksstimme. Weiter bittet er um Verständnis, dass er zwar zum Strafverfahren Auskünfte geben kann, nicht aber auf Fragen, die sich erst nach der Anklage beantworten lassen.
Was war passiert?
Josefine H. wurde seit Donnerstagabend, 4. November 2021, vermisst. Die tagelangen Hoffnungen der Angehörigen, die Schülerin doch noch lebend zu finden, zerplatzten am Mittwoch, 10. November, als eine Person nahe des Garagenkomplexes in der Aschersleber Valentina-Tereschkowa-Straße die Leiche der 14-Jährigen entdeckte. Der leblose Körper soll auf einer Wiese in der unmittelbaren Nähe eines Grabens nur wenige Meter von den Garagen entfernt gelegen haben.
Anschließend, so heißt es aus vertrauenswürdigen und informierten Kreisen, hat die Polizei direkt mit der Befragung des zur damaligen Zeit 14-jährigen Ex-Freundes Jonas K. begonnen. Dieser habe im Verlauf der Befragung seine Eltern rausgeschickt und die Tat spontan gestanden. Auch nach der Belehrung durch die Beamten habe er weitere Details preisgegeben. Die vermeintliche Tatwaffe, ein Messer, wurde ebenso durch den Tipp des Ex-Freundes entdeckt.
Die Schulleiterin einer Aschersleber Schule habe den Beamten einen Chatverlauf beim Messengerdienst Whatsapp gezeigt. Ein Bekannter des Ex-Freundes beschwerte sich bei jenem über seine Freundin, Josefine H., woraufhin der mutmaßliche Täter am Dienstag, 2. November, geantwortet haben soll: "Freitag hast du das Problem nicht mehr."
In der Zwischenzeit hat der angeklagte Jugendliche Josephine H. direkt zu dem Garagenkomplex geordert, erfuhr die Volksstimme. Offizieller Grund des Treffens war die Rückgabe einiger privater Gegenstände. Vor der Polizei soll der damals 14-Jährige ausgesagt haben, dass er seine Ex-Freundin bewusstlos schlagen wollte. Als dies nicht gelang, habe er sie getötet.
Nach Volksstimme-Informationen sollen eine Vielzahl an Messerstichen im Nacken, Brust- und Gesichtsbereich gefunden worden sein. Schleifspuren, vom möglichen Transport der Leiche, fehlten wohl Vorort. Die Beamten sollen Jonas K. von Anfang an als möglichen Verdächtigen gesehen haben. Dieser habe die Polizisten angelogen. Auch nach dem Geständnis soll er kaum Reue gezeigt haben.
Unklar ist zudem die Rolle einer weiteren Person. Diese habe Schmiere während der Tat gestanden und soll das Handy der Getöteten entsorgt haben. Der zur Tatzeit ebenfalls 14-Jährige befindet sich weiterhin auf freiem Fuß.
Wie geht es nun weiter?
Zurzeit ermittelt die Polizei. Noch ist nicht absehbar, wann die Ermittlungen als beendet erklärt werden können. Erst danach kann die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Täter erheben. Dann startet das sogenannte Zwischenverfahren, wo Vorbereitungen für das Hauptverfahren vor Gericht getroffen werden. Das Hauptverfahren beginnt mit dem "Aufruf der Sache", quasi mit den ersten Worten des Richters, warum der Angeklagte vor Gericht erscheinen muss. Je nachdem, wie die Anklageschrift formuliert wurde und worauf die Anklage lautet, können sowohl Medien als auch die Staatsanwaltschaft seriöse Aussagen treffen, welche Strafe dem Täter bevorstehen kann.
Generell gilt aber in Deutschland ein sogenanntes Beschleunigungsgebot. Das heißt vereinfacht gesagt, dass normalerweise innerhalb von sechs Monaten die Ermittlungen der Polizei abgeschlossen und eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft erhoben werden muss. Nur mit Aufwand und in Ausnahmefällen kann die Untersuchungshaft nach sechs Monaten verlängert werden, denn die seelische Belastung für den mutmaßlichen Täter in Haft müsse ebenso berücksichtigt werden.
Im Jugendstrafrecht gilt sogar eine Verschärfung. Denn: "Befindet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer Beschleunigung durchzuführen." Heißt, nicht nur die Ermittlungen, sondern auch das gesamte Verfahren mit Neben- und Hauptverhandlung darf sich nicht unnötig in die Länge ziehen. Grund dafür sind einerseits die besondere psychische Belastung einer Haft für Jugendliche und junge Erwachsene, und anderseits soll wohlmöglich so auch die Tat und deren Details nicht in allzu große Vergessenheit beim mutmaßlichen Täter geraten.
Folglich wird es sehr wahrscheinlich in den kommenden Wochen zur Beendigung der Polizei-Ermittlungen und dem Erheben einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft kommen.
Warum wir nicht mehr schreiben
Ob der Täter verurteilt wird und welche Strafe er bekommt beziehungsweise erwarten kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation und kann nicht seriös eingeschätzt werden. Sicherlich gäbe es die Möglichkeit, an dieser Stelle über das mögliche Strafmaß oder einer Unterbringung in einer geschlossenen psychologischen Anstalt zu fabulieren. Das wäre schlichtweg tendenziös. Es hängt davon ab, was angeklagt wird, wie der Prozess verläuft, ob und wie geständig der Angeklagte ist und was gegen und was für ihn spricht.
Die freiwillige Selbstkontrolle der Medien, der Presserat, verteilt als schärfste Reaktion auf derartige Berichterstattungen sogenannte Rügen. Diese werden dann entweder in der Online-Ausgabe oder im Print abgedruckt. Sogar Gegendarstellungen können juristisch erfochten werden.
Diese Rügen können für jeden sichtbar eingesehen werden. Beispielsweise Boulevard-Zeitungen müssen des Öfteren aufgrund derartiger Berichterstattungen in Mord-Fällen Rügen abdrucken. Der Grund ist oft: Schutz der Persönlichkeit. Diese gilt nicht nur für die Opfer, sondern auch für Täter. So auch in dem Fall des ermordeten Lehrerehepaares in Neuenkirchen, Niedersachsen. Eine große Zeitung hatte laut Presserat zu detailliert über die persönlichen Umstände der Tat berichtet.
Gerade in dem Fall der getöteten Josefine H. aus Aschersleben gelten nochmal besonders strikte Persönlichkeitsschutzmechanismen aufgrund des jungen Alters der Beteiligten. Somit können weitere seriöse Einordnungen in Berichterstattungen erst nach dem Erheben der Anklage erfolgen.