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Achäologie Ist das tausendjährige Egeln noch viel älter?

Die Archäologen haben ihre Grabungen an der alten Schäferei in Egeln abgeschlossen. Gefunden wurden 500 Skelette und stellten Erstaunliches fest. Wie alt ist Egeln wirklich?

Von René Kiel Aktualisiert: 07.07.2021, 12:38
Bei den Ausgrabungen in Egeln  haben die Archäologen rund 500 Gräber gefunden. Die zeitliche Bandbreite reichte von 5500 vor Christi bis um das Jahr 1500.
Bei den Ausgrabungen in Egeln haben die Archäologen rund 500 Gräber gefunden. Die zeitliche Bandbreite reichte von 5500 vor Christi bis um das Jahr 1500. Fotos: René Kiel

Egeln - „Wir haben Siedlungsspuren von der frühesten Jungsteinzeit, also 5500 vor Christi, bis in die frühe Neuzeit beziehungsweise ins späte Mittelalter um 1500 vorgefunden“, sagte der Referent der Abteilung Bodendenkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Martin Planert der Volksstimme.

„Wir haben seit April die gesamte Fläche fast einmal komplett offen gehabt. Kern war der Friedhofsbereich. Das war nicht der größte Teil, aber der arbeitsintenivste“, sagte Planert unter Hinweis auf die rund 500 Skelette, die freigelegt und geborgen werden mussten.

Bestattung in einem Baum

Wie sich herausstellte, waren sie nicht aus der Pestzeit. „Das war anfangs die Vermutung. Wir haben definitiv verschiedene Zeitepochen drin. Mit den frühesten Gräbern sind wir hier im neunten Jahrhundert. Wir haben einige Bestattungen mit sehr schönen Beigaben in Form von Glasperlen und einem Bronzehalsring“, sagte der Referent. Vor zwei Wochen sei dort eine Baumsarg-Bestattung entdeckt worden. Da wurde der Tote nicht in einem gezimmerten Sarg beigesetzt, sondern in einem ausgehöhlten Baumstamm. Er hatte noch zwei eiserne Sporen als Reiterzubehör bei sich. Das macht deutlich, dass es sich bei dem Mann um eine höher gestellte Person gehandelt haben muss. Einem anderen Toten war ein Messer mit auf seine letzte Reise gegeben worden. „Im Idealfall sollten wir jedes Grab erwischt haben“, sagte Planert zum Abschluss der Ausgrabungen.

Auch die Vermutung nach dem Fund eines sehr großen Befestigungsrabens, dass sich an diesem Standort einst ein Kastell befunden hat, hat sich nicht bestätigt. „Es gibt keine Datierung dieses Grabens und keine Funde, die in die Zeit gehören. Wenn es ein Kastell gewesen wäre, hätte der Graben irgendwo einen Knick machen müssen“, sagte Planert. Dafür wurden dort aber ein Türsturz des ehemaligen Klosters aus dem Jahr 1622 mit einer schönen Inschrift und die Seitenwange der Tür mit eisernen Türangeln gefunden. „Sie befanden sich im vorderen Bereich des Geländes, das zu DDR-Zeiten aufgefüllt worden war“, berichtete der Referent.

Die Größe des Friedhofs ist etwas Besonderes

Auf die Bedeutung des Grabungsfeldes in Egeln angesprochen, sagte Martin Planert: „Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes von der Größe dieses Friedhofes und die Zeitstaffelung, die im neunten Jahrhundert beginnt. Wir wissen nicht, wie alt die jüngsten Bestattungen sind, weil es in dieser Zeit keine Grabbeigaben mehr gab. Das kriegen wir nur durch eine naturwissenschaftliche Untersuchung heraus. Dazu müssten wir eine C-14-Datierung machen von einem der Skelette, die nichts mehr dabei hatten, in welche Zeit sie wirklich gehören.“ Dabei handelt es sich laut wikipedia.de um ein Verfahren zur radiometrischen Datierung kohlenstoffhaltiger, insbesondere  organischer Materialien. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60 000 Jahren.

„Diese Gräber aus dem neunten Jahrhundert sind wirklich etwas Besonderes. Sie sind relativ reich ausgestattet. Das ist schon wirklich eine spannende Sache hier, ein wirklich sehr schöner Befund“, schätzt Planert ein.

Die Fundstücke aus Egeln kommen in das Depot des Landesmuseums für Vorgeschichte nach Halle. „Dort werden sie verwahrt, damit sie mal jemand auswerten kann“, so der Referent.

Was war 800 Jahre vor Christus?

Muss die Geschichte der Stadt Egeln jetzt neu geschrieben werden? „Neu geschrieben werden muss sie sicherlich nicht, aber wir haben hier sehr schöne Funde, die eine Besiedlung in Egeln viel älter machen. Wir sind hier in wesentlich früheren Zeit als die Ersterwähnung von Egeln vor 1080 Jahren. Wir sind hier nicht in den 940er Jahren mit diesem Kastell, sondern wir sind schon allein mit diesen Bestattungen, die wir hier fassen konnten, im neunten Jahrhundert. Also gute 100 Jahre früher. Mit den restlichen Siedlungsspuren, die wir haben, sind wir noch erheblich früher, wo nie eine Ersterwähnung von Egeln vorgenommen werden konnte. Mit den frühesten Siedlungsspuren aus der Jungsteinzeit 5500 vor Christi, aber auch zahlreiche eisenzeitliche Siedlungsspuren, die sich an der Friedhofsmauer entlang ziehen, sind wir in der Zeit von 800 bis 600 vor Christi. Also hier war schon immer gut was los in Egeln“, sagte der Referent . Die Bode sei nicht weit. Zudem habe Egeln aufgrund seiner Lage über gute Verkehrsverbindungen verfügt. Er hält es für möglich, dass einige Fundstücke in Egeln für eine Ausstellung zur Verfügung stehen, falls ein Interesse des Museums besteht. Das wäre überhaupt kein Problem“, so Planert.

Ausgrabungsleiter Ramsch zeigt zwei noch nicht gereinigte Glasperlen, die in einem anderen Grab zum Vorschein kamen.
Ausgrabungsleiter Ramsch zeigt zwei noch nicht gereinigte Glasperlen, die in einem anderen Grab zum Vorschein kamen.
Foto: René Kiel
In  einem der  Gräber befand sich als Grabbeigabe dieser  Bronzehalsreifen. Damit wurde deutlich, dass hier  eine Frau beigesetzt war.
In einem der Gräber befand sich als Grabbeigabe dieser Bronzehalsreifen. Damit wurde deutlich, dass hier eine Frau beigesetzt war.
Foto: René Kiel
Mit Pinsel und Spatel legte Jürgen Burghardt vorsichtig ein Grab in Egeln frei.
Mit Pinsel und Spatel legte Jürgen Burghardt vorsichtig ein Grab in Egeln frei.
Foto: René Kiel