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Staßfurter Sekundarschüler hören Erlebnisse von Shlomo Wolkowicz, der 1941 unter einem Berg von Leichen überlebte Julia: Ziemlich heftig, unvorstellbar

Von Falk Rockmann 13.10.2010, 06:16

Es war krass, was die Schüler hörten. Vor allem aber authentisch. Ein Film kann es sicher nicht besser, geschweige denn ein Lehrbuch aus dem Geschichtsunterricht. Die 10. Klassen der Staßfurter Sekundarschule Am Tierpark hatten Shlomo Wolkowicz zu Gast, einen Zeitzeugen und Überlebenden des Naziterrors, der damals so jung war wie seine Zuhörer. Jahrzehntelang konnte er nicht darüber sprechen, wie er beispielsweise einem Erschießungskommando der SS entkam.

Staßfurt. Seit 15 Jahren etwa fühlt er sich berufen, seine Erlebnisse aus der schlimmsten Zeit seines Lebens an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Mit seinem Buch "Das Grab bei Zloczow" machte er diese Greueltaten zusätzlich unvergessen.

"Wenn ich bei so einem Treffen wie hier während meiner Erzählungen in die Gesichter der Schüler sehe, sehe ich deren Spannung und spüre, dass es meine Pflicht ist, zu berichten, was damals geschah", sagt der heute 86-Jährige. Er schulde es den Opfern ganz einfach.

Mit 17 Jahren, fast so jung wie gestern seine Zuhörer also, überlebte Wolkowicz wie durch ein Wunder unter einem Berg von Leichen. Erschossen von der SS, die auch in seiner Heimat, dem damaligen Ostpolen, wütete.

Wolkowicz berichtete, wie er verhaftet wurde, wie er geschlagen wurde. Wieder und wieder. Er berichtete auch, wie er aus einer Polizeistation fliehen konnte, wie er sich in der Kanalisation einer Fabrik versteckte. Jahrelang war er auf der Flucht.

Die Schüler hörten aufmerksam und ergriffen zu. Eine Doppelstunde lang.

"Das ist ziemlich heftig, wenn man sich das so verinnerlicht", meinte Julia Schildbach nach diesen 90 Minuten Geschichtsunterricht der besonderen Art, "Das kann man sich gar nicht vorstellen."

Von "Gänsehaut bei den ergreifenden Schilderungen" sprach Jessica Döhring. Und Philipp Schenk beeindruckte zudem, dass Shlomo Wolkowicz noch so agil sei, nachdem, was er alles durchgemacht habe.

Das Erlebte wachhalten will der heute in Israel lebende 86-Jährige noch möglichst viele Jahre, wenn es die Gesundheit erlaubt. Shlomo Wolkowicz ist mehrmals im Jahr in Deutschland – im Auftrag des Erinnerns. Als nächstes wird er München besuchen.

Die Schüler der Sekundarschule Am Tierpark können unterdessen die Erlebnisse Shlomo Wolkowicz‘ vertiefen. Jeanette Schilling, Leiterin des Schulprojekts "Gegen Ausgrenzung", dessen Höhepunkt der Besuch des Zeitzeugen war, stellt ihr persönliches Exemplar "Das Grab bei Zloczow" der Schulbibliothek zur Verfügung. Einige Schüler hatten es bereits im Vorfeld gelesen.

Zum Projekt gehörten außerdem Besuche der Napola-Gedenkstätte in Ballenstedt und der Euthanasie-Gedenkstätte Bernburg.