Volksstimme im Gespräch mit Verbandsgeschäftsführer Andreas Beyer zur Beitragsnachforderung "Keiner wird sein Haus verlieren"
Die Ankündigung des Geschäftsführers des Wasser- und Abwasserzweckverbandes "Bode-Wipper" Staßfurt, Andreas Beyer, von den Grundstücksbesitzern im Bereich der "Bodeniederung" Beiträge nachkassieren zu wollen, sorgte für Wirbel. Mit ihm sprach Volksstimme-Redakteur René Kiel über das, was auf die Betroffenen zukommt.
Volksstimme: Wer zwingt Sie dazu, die Anschlussbeiträge in der Bodeniederung nachzuerheben?
Andreas Beyer: Als Verwaltung ist der Verband an Gesetz und Recht gebunden. Das ergibt sich schon allein aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz. Demnach bin ich verpflichtet, die Gesetze so umzusetzen, wie diese vom Landes- oder Bundesgesetzgeber verabschiedet werden. Persönliche Meinungen sind hier von untergeordneter Bedeutung.
Warum bitten Sie nicht nur die Grundstücksbesitzer zur Kasse, die bisher aus welchen Gründen auch immer keinen Beitrag bezahlen brauchten?
Aus dem Kommunalabgabengesetz ergibt sich eine allgemeine Beitragserhebungspflicht für alle Grundstückseigentümer. Natürlich wäre es moralisch vielleicht richtig, nur die zu veranlagen, die ihren Beitrag noch nicht entrichtet haben. Was ist aber dann mit denen, die nach aktueller Satzung bereits hohe Beiträge bezahlt haben? Wäre das denen gegenüber nicht ungerecht? Egal, wie man das bewertet, eine Gerechtigkeit im Einzelfall wird es leider nicht geben.
Wie kann es passieren, dass es bei der Beitragserhebung zu Ausfällen in Höhe von rund 2,83 Millionen Euro gekommen ist und wer wird dafür zur Verantwortung gezogen?
Zunächst finde ich es falsch, immer noch nach irgendwelchen Schuldigen zu suchen für Dinge, die vielleicht vor 20 Jahren schief gegangen sind. Der AZV Bodeniederung ist immer der Rechtsprechung hinterher gelaufen, daher war es immer schwierig, eine ordentliche Beitragsveranlagung auf die Beine zu stellen. Verfahren, die nach damaliger Rechtsprechung verjährt waren, sind es nun nicht mehr. Dazu kommen noch die Fälle, in denen der Verband 2012 entsprechend dem damaligen Stand der Rechtsprechung die Beitragsbescheide aufgehoben und bereits bezahlte Beiträge erstattet hat.
In welchem Zeitraum sollen die Bescheide verschickt werden?
Das hängt insbesondere davon ab, in welcher Form das Kommunalabgabengesetz geändert wird. Für mich ist weniger der Zeitraum maßgebend. Viel wichtiger ist - und dazu bin ich den Grundstückseigentümern verpflichtet - dass der Verband größtmögliche Rechtssicherheit hat, bevor im Fall der Fälle die Bescheide verschickt werden. U.a. dazu lassen wir im Moment unsere Satzung in einem sogenannten Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht prüfen. Mit einem Ergebnis rechne ich in Kürze. Zudem werden wir sicherlich im Vorfeld ein Musterverfahren führen. In Anbetracht der Kostenrisiken macht das auch absolut Sinn. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Nachhinein wieder vom Gericht aufgehoben wird. Die Zeche müsste durch Umlagen wieder mittelbar der Bürger zahlen, was schon viel zu oft der Fall war.
Was passiert, wenn die Grundstücksbesitzer nicht bezahlen können?
Auch dafür gibt es Regelungen in der Abgabenordnung und im Kommunalabgabengesetz. Auf Nachweis können entsprechend Ratenzahlungen beantragt werden. Allerdings muss man auch sagen, dass uns die Abgabenordnung momentan einen Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr vorschreibt. Sicher ist, dass kein Beitragspflichtiger Angst haben muss, sein Haus zu verlieren, weil Beträge nicht gezahlt werden können. Bisher ist es uns immer gelungen, gemeinsam eine sozialverträgliche Lösung zu finden.
Wofür wollen Sie die geplanten Einnahmen in Höhe von rund 11,4 Millionen Euro verwenden?
Zu meinem Amtsantritt hatte der WAZV "Bode-Wipper" für das Gebiet 2 Verbindlichkeiten per 31.12.2013 in Höhe von rund 33,202 Millionen Euro. Aktuell sind wir bei 28,164 Millionen Euro. Nach Ablauf der aktuellen Zinsbindung und Rückübertragung der Anlagen vom privaten Betreiber auf den Verband im Jahr 2023 werden sich die Verbindlichkeiten auf 14,936 Millionen Euro (jeweils Bruttobeträge) belaufen. Mein erklärtes Ziel ist es, die Verbindlichkeiten so schnell wie möglich abzubauen. Im Idealfall wäre das Gebiet 2 im Jahr 2023 schuldenfrei. In Anbetracht der Tatsache, dass wir momentan einen jährlichen Kapitaldienst von rund zwei Millionen Euro aufwenden, muss man kein Mathematiker sein, um die Auswirkungen auf die Gebührenhöhe bei Wegfall des Kapitaldienstes zu errechnen. Das sind ehrgeizige Ziele, die aber nicht um jeden Preis erreicht werden dürfen. Viel wichtiger ist, dass der eingeschlagene Weg beibehalten wird. Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten im Vergleich zu früher sehr viel Ruhe ins Gebiet 2 bekommen. Insbesondere bei den Verbrauchsgebühren sind keinerlei offene Verfahren bei Gericht anhängig - ein Novum, welches es meines Wissens für das Gebiet 2 noch nie gab.
Bei einer Nachveranlagung würden wir zurück in die Zeiten fallen, als der Postbote die Widersprüche der Bürger mit einem Anhänger bringen musste.
Wenn das Verwaltungsgericht behauptet, es habe noch nie eine rechtswirksame Abgabensatzung im AZ Bodeniederung gegeben, was tun sie, wenn Grundstücksbesitzer, die zu Unrecht zur Zahlung herangezogen wurden, vom Verband ihr Geld einschließlich Zinsen zurückfordern und wie wollen Sie praktisch vorgehen? Sollen die alten Bescheide aufgehoben und dann neue erlassen werden? Bestandskräftige Bescheide werden nicht aufgehoben. Es würden neue Bescheide ergehen und bereits geleistete Zahlungen als Anzahlung betrachtet. Dementsprechend verringert sich das sog. Leistungsgebot. Eine Rechtsgrundlage für die Zahlung von Zinsen gibt es nicht. Die praktische Umsetzung dürfte alles andere als einfach werden. Immerhin muss man binnen kürzester Zeit die bisherige Beitragsveranlagung von 1995 bis 2010 aufarbeiten.