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Ganztagsbetreuung: Woher soll die Stadt das Geld und Personal für die Umsetzung nehmen? Kinder, Kosten und kräftige Kifög-Kritik

Von Karolin Aertel 21.02.2013, 02:16

Das neue Kinderförder-ungsgesetz des Landes ist beschlossene Sache. Ab 1. August dieses Jahres wird es inkrafttreten. Der Stadt Staßfurt bereitet die Gesetzesnovelle Kopfzerbrechen. Unklar ist noch immer, wie die Umsetzung konkret vonstattengehen und vor allem wie sie künftig bezahlt werden soll.

Staßfurt/Rathmannsdorf l Kopfschütteln, Naserümpfen, Stirnrunzeln - die Reaktionen der Mitglieder des Ausschusses für Jugend, Senioren und Soziales auf das neue Kinderförderungsgesetz (Kifög) bedürfen keiner weiteren Erklärung.

Wohl aber erklärt werden muss, was die Novellierung im Einzelnen für die Stadt Staßfurt und die freien Träger bedeutet. Darum bemüht war am Dienstagabend Fachbereichsleiter Hans-Georg Köpper.

Fakt ist: Das Recht auf Ganztagsbetreuung ist beschlossene Sache. Das befürwortete letztlich auch der Ausschuss. Doch während im Erst- entwurf der Gesetzesnovelle noch von einer stufenweisen Einführung die Rede war, ist nun klar, das neue Kinderförderungsgesetz kommt mit einem Ruck. Es tritt ab 1. August für alle gleichermaßen in Kraft. Das scheint wenig Zeit für notwendige Vorbereitungen zu sein. Und sollten wirklich alle ad hoc ihr Recht auf einen Ganztagsplatz in Anspruch nehmen, wird die Stadt wohl in die Knie gezwungen werden. Es gibt nicht nur deutlich zu wenig Personal, sondern auch zu wenig Plätze.

"Das neue Kifög sorgt für sozialen und finanziellen Sprengstoff."

Das Paradoxe der Novellierung ließ Eric Maindok (CDU) gewissermaßen durch die Decke gehen: Im Jahr 2003 fand bereits eine Reform des Kifög statt. Durch diese wurde der zuvor bestehende gesetzliche Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung dahingehend eingeschränkt, dass Kinder erwerbsloser Eltern nur noch einen gesetzlichen Anspruch auf eine Halbtagsbetreuung besitzen. "Damals haben wir Betten in Größenordnungen abgeschafft, etliches umgebaut und Plätze reduziert", erinnert sich Maindok. "Und nun wird alles wieder rückgängig gemacht."

Das neue Kifög sorge seines Erachtens nach für sozialen und vor allem finanziellen Sprengstoff. "Woher sollen wir um Himmels Willen das Geld für zusätzliches Personal, das für die Ganztagsbetreuung gebraucht wird, für den Verwaltungsaufwand, der entsteht, und für alle anderen anstehenden Kosten nehmen", fragte er. In der Stadtkasse gebe es kein Geld, was bedeutet, dass es an anderer Stelle weggenommen werden muss.

Dass die grundlegende Finanzierung durch Pauschalen vom Land und vom Landkreis getragen wird, erklärte Hans-Georg Köpper; da diese jedoch nicht alle Kosten decken wird, solle der fehlende Finanzbedarf zu mindestens 50-Prozent durch die Gemeinden und zu höchstens 50-Prozent durch die Eltern gedeckt werden.

Wie die Rechnung dann im Konkreten aussieht, konnte der Fachbereichsleiter nicht sagen. "Wir lernen auch noch jeden Tag dazu", so Köpper und wies darauf hin, dass noch immer keine Durchführungsverordnung veröffentlicht worden ist.

Kritisch betrachtet wurde zudem, dass Elternbeiträge, die übrigens jetzt Kostenbeiträge heißen, künftig nicht nur von den Gemeinden festgelegt, sondern auch von ihnen kassiert werden - egal ob bei den eigenen oder freien Trägern.

"Wir werden den Eltern hinterherrennen, die ihre Beiträge nicht bezahlen"

"Das bedeutet, dass wir den Eltern hinterherrennen werden, die ihre Beiträge nicht bezahlen", erklärt Köpper. Der Träger, der das Geld bekommt, habe jedoch Anspruch das Defizit von der Stadt voll ausgeglichen zu bekommen - egal ob die Eltern gezahlt haben.

Dass das Gesetz "von vorn bis hinten eine Mogelpackung ist" und scheinbar von "Dilletanten" gefasst wurde, monierte Eric Maindok. "Wir als Kommune bleiben auf dem Scherbenhaufen sitzen", sagte er mit scharfen Blick auf den Landtagsabgeordneten Peter Rotter (CDU). Dieser konnte den Verdruss zwar verstehen, wies Eric Maindok jedoch bestimmt drauf hin "hier redet gerade ein Blinder über Farbe". Die Landesregierung habe das Gesetz nicht aus einer Laune heraus entworfen.

Rotter machte deutlich, dass das Gesetz ein Ergebnis des Koalitionsvertrages ist. "Unisono waren sich alle einig, dass eine Ganztagsbetreuung gewährleistet werden muss." In anderen Bereichen seien Kompromisse eingegangen worden, so Rotter, der auch darauf hinwies, dass das neue Kifög zu nicht geringen Teilen vom Kifög des Landes Mecklenburg Vorpommern "abgeschrieben" wurde. "Wenn es dort funktioniert, warum nicht auch hier?" Zudem laufe die Finanzierung auch in Zukunft über dieselben Säulen wie vorher. "Die Quellen bleiben die gleichen, nur die Wege werden sich verändern."

Dass es jedoch schwierig werden wird, wenn sich künftig drei Partein einigen müssen, vermutete der Ausschussvorsitzende Ralf Peter Schmidt (Linke/offene Liste). "Nichtsdestotrotz ist das Gesetz nun beschlossen und sollte von uns bestmöglich umgesetzt werden." Er verdeutlichte, dass der Sozialausschuss der Stadt nun stärker denn je in die Belange der Kinderbetreuung einbezogen werden muss.