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Traditionsreiche Bernburger "Mini-Bimmel" fährt noch im Oktober / Wer will, kann die Tour in einen kulturellen Tagesausflug einbinden Kleine Bahn einst fest in der Hand von Pionieren

Von Nora Stuhr 13.10.2011, 06:23

Die Herbstferien stehen vor der Tür. Eine Rundfahrt der besonderen Art, die Kinder in Bernburg schon vor mehr als 40 Jahren begeisterte, hat Tradition. Die Pioniereisenbahn von damals, heute Parkeisenbahn, legt im Oktober noch ab. Drum herum hat die Saalestadt kulturell aber noch weitaus mehr zu bieten. Die Volksstimme hat eine mögliche Ausflugsroute getestet.

Bernburg l Ich bin mit Heiko Triepel, dem Leiter der Bernburger Stadtinformation, verabredet. "Wir treffen uns am besten am Schloss", hatte er in der Woche vorher vorgeschlagen. Dort sei der ideale Ausgangspunkt. Ich bin ein bisschen eher da und informiere mich über die Historie der Schlossanlage. In einer Broschüre, herausgegeben von der Bernburger Freizeit GmbH, wird die Lage malerisch beschrieben: "Am östlichen Saaleufer erhebt sich auf einem hohen Sandsteinfelsen das ehemalige Residenzschloss der Fürsten und späteren Herzöge von Anhalt Bernburg. Von allen anhaltischen Schlössern wird mit Recht das Bernburger Schloss an der Saale als das schönste und stolzeste bezeichnet." Erstmals erwähnt worden sei es in einer Schenkungsurkunde Kaiser Otto I vom 29. Juli 961, damals als Burg "Brandenburg". Im 12. Jahrhundert soll die Burg aber in einer Auseinandersetzung zwischen Welfen und Hohenstaufern erstürmt und niedergeschlagen worden sein. "Im 16. Jahrhundert erfolgte der Ausbau zu einem der eindrucksvollsten Renaissance-Schlösser Mitteldeutschlands", ist dem Heftchen zu entnehmen und von Heiko Triepel, der mich jetzt freundlich begrüßt, wird berichtet, was Besucher sich im Schloss heute alles anschauen können.

"Das größte freistehende Eulenspiegeldenkmal Deutschlands"

Da wäre zum einen der Aufstieg zum 44 Meter hohen Eulenspiegelturm. "Das größte freistehende Eulenspiegeldenkmal Deutschlands", so der Stadtkenner. Er berichtet von der Türmerstube. Dort soll Till Eulenspiegel einst als Turmbläser des Grafen von Anhalt-Bernburg nach Feinden Ausschau gehalten und sich eine Mahlzeit an der fürstlichen Tafel erschlichen haben. Wer den Bergfried besichtigt, erfährt heute von einer beweglichen Till-Figur von diesen Erlebnissen.

Außerdem befindet sich im Schloss ein Museum mit Dauerausstellung, die sich nicht nur mit der Historie der Stadt Bernburg beschäftigt, sondern auch die Ur- und Frühgeschichte der Saalelandschaft beleuchtet. Im Schloss können sich Paare auch das Ja-Wort geben. Tagungen und Feiern sind darüber hinaus im Saal des Osttorhauses möglich.

Und: Sogar Tiere leben im Schloss. 1996 zogen die zwei Braunbären "Bonny und Benjy" ein. Ihr Gehege - vom Schlosseingang etwas unterhalb Richtung Saale gelegen - unterhält der Tiergarten. Damit wird in Bernburg eine Tradition aufrecht erhalten. Denn Bären sollen im Schloss schon seit dem 18. Jahrhundert gehalten worden sein, nachdem ein Soldat sie nach dem Krieg mitbrachte.

Aber zurück zur Ausflugstour. Sie führt den Schlossberg hinab. Bequem über eine Treppe erreichen Ausflügler das Ufer der Saale und steigen auf die Fähre.

Der Mann hinterm Steuer ist Michael Wildeck. Wie oft er täglich hin und her schippert, kann er so genau gar nicht sagen. "Am Wochenende bei schönem Wetter: Sicher ein paar hundert Mal", schätzt er.

Fähre fährt seit 1966 und Tiergarten mit 900 Tieren

Sicher ist, dass die Fähre am Fuße des Schlosses nicht mehr wegzudenken ist. "Seit 1966 fährt sie", ergänzt Heiko Triepel, der mir nach unserer Ankunft auf der anderen Seite viele Informationen zur nächsten Station liefert: der Tiergarten. Ihn gibt es in Bernburg schon über 100 Jahre. 2009 sei das große Jubiläum gefeiert worden. "900 Tiere und über 130 Arten", umreißt er den Bestand und nennt Besucherlieblinge: "Geparden aus Afrika" gehören ebenso dazu wie Bären. Letztere leben in Bernburg im Tiergarten mit Wölfen zusammen. Zu Rangeleien kommt es im gemeinschaftlichen Gehege aber nicht. "Die Wölfe sind zu schnell und die Bären zu stark", nennt Triepel schmunzelnd den Grund. Außerdem erfahre ich von Kattas und zehn Pinguinen, "die neuesten Bewohner".

Ihr Domizil, also der Tiergarten, hat außerdem einer Haltestelle seinen Namen gegeben. Dort legt ein kleiner Schienenbus der besonderen Art an und ab. "Sie ist heute nicht ganz pünktlich", schaut der Mann von der Bernburger Freizeit GmbH wartend auf die Uhr. Die paar Minuten sind dem süßen Gefährt, das kurz danach pfeifend aus dem Wald einfährt, aber verziehen. Die Parkeisenbahn. Sie macht Halt an fünf Stationen und fährt auf einer Strecke von 1,9 Kilometern. Die kleine mit Wimpeln geschmückte Lok samt Wagen pendelt quer durch die grüne Landschaft des Krumbolzes, so der Name des Waldgebietes. Sie ist sogar überdacht. Das war nicht immer so. Vor einer Generalüberholung Anfang der 1990er Jahre fuhr die schmalspurige "Mini-Bimmel" oben ohne. Damals tuckerte sie als Pioniereisenbahn "Drushba" durch den Park. Einst eingeweiht zum Internationalen Kindertag am 1. Juni 1969 transportierte sie 112 000 Fahrgäste jährlich, heute sind es um die 55 000.

Pioniereisenbahner arbeiteten in Ferien und an Wochenenden

Einer, der sich an die Anfangsjahre noch gut erinnern kann, ist Thomas Stiglitz. Als Lokführer sitzt er heute noch immer hinterm Steuer. Als Zehnjähriger durfte er sich nicht ohne Stolz als Mitglied in einer gleichnamigen Arbeitsgemeinschaft "Pioniereisenbahner" nennen. Er arbeitete in den Ferien und an den Wochenenden als Schaffner, Kassierer und Lokschlosser. Besucher, die heute einsteigen, können sich in Gesprächen informieren. Endstation ist die Haltestelle "Paradies". Das ist ein Märchengarten, wo Kinder sich auf Knopfdruck von den entsprechenden Figuren in passender Kulisse zehn Geschichten der Gebrüder Grimm erzählen lassen können. Wer will, gelangt danach per Bahn zurück zum Ausgangspunkt der Tour. Für mich geht sie zu Ende, ich lasse mir den Fahrtwind um die Nase wehen und weiß, dass ich wiederkomme.