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Interview Ohne Idealismus geht es nicht

In der Serie "Auf eine Tasse Kaffee" trifft die Volksstimme Jörg Reinhardt.

Von Nadin Hänsch 26.11.2016, 08:47

Cochstedt l „Nein, ich habe die Entscheidung, mich in Cochstedt niederzulassen, nie bereut“, sagt Jörg Reinhardt. Der Wahl-Cochstedter wurde in Weferlingen bei Helmstedt, einem 200-Seelen-Dorf im damaligen Grenzgebiet der Deutschen Demokratischen Republik, geboren. „Aus der Dachluke meines Elternhauses heraus habe ich als Kind oft in den Westen geguckt.“ Besonders die schnellen Motorradfahrer, die die Straße hoch und hinunter fuhren, hatten es ihm angetan, wie der 58-Jährige erzählt. „Schließlich habe die Staatsgrenze in unmittelbarer Nähe – gerade einmal 500 Meter entfernt – gelegen.

Nach Abschluss des Abiturs an der Erweiterten Oberschule in Haldensleben im Jahr 1977 begann für den Wahlcochstedter der Grundwehrdienst. „Ich hatte einfach Glück, dass ich nur ein halbes Jahr zur Armee gehen musste und trotzdem zum Studium zugelassen wurde, resümiert Reinhardt heute. Von 1979 bis 1984 folgten Studienjahre in Jena im Fachbereich Zahnmedizin.

„Meine Frau habe ich im Studium kennengelernt, wir wurden zur gleichen Zeit fertig und sind ab da an zusammen durchs Leben gegangen.“ Nach anschließenden sechs Jahren in Tangerhütte als Zahnarzt in einer Poliklinik habe sich die Möglichkeit ergeben, entweder nach Thüringen oder nach Cochstedt zu wechseln.

„Wäre ich nach Thüringen gegangen, dann hätte ich mich wahrscheinlich mein ganzes Leben mit der Kinderzahnheilkunde beschäftigt“, sagt Reinhardt. Das habe er sich nicht vorstellen können. Daher entschied er sich, nach Cochstedt zu ziehen. „Ich hatte hier die Chance, mich in einer einzelnen staatlichen Zahnarztpraxis als Außenstelle des Gesundheitsamtes Aschersleben niederzulassen.“ So kam es auch. 1989 trat Reinhardt die Stelle als Zahnarzt im schönen Cochstedt an. „Wenn ich einmal eine Entscheidung treffe, dann stehe ich auch dahinter“, sagt der 58-Jährige, der sich selbst eher als Dorfmensch betitelt. „Hier im ländlichen Raum ist der Bezug zu meinen Patienten einfach größer.“

Ein Jahr später habe alles auf dem Kopf gestanden. „Mit der Wende wurden wir Ärzte ins kalte Wasser geworfen und mussten schwimmen lernen.“ Der Konkurrenzdruck unter manchen Kollegen sei groß gewesen. „Ich bin dankbar, dass meine Frau mir in dieser Zeit den Rücken freigehalten hat.“ Eine neue Praxis musste her und viele bürokratische Hürden seien zu bewältigen gewesen. Heute ist der Cochstedter zu 100 Prozent in seiner Wahlheimat angekommen, für die er sich auch in seiner oft knapp bemessenen Freizeit engagiert. Seit 1998 gibt es den Förderkreis der Cochstedter St.-Stephani-Kirche zu deren Gründungsmitgliedern der 58-Jährige gehört. Reinhardt ist Vorsitzender des Vereins, jedoch nur auf dem Papier, wie er sagt. „Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, mich um viele Dinge zu kümmern, gerade als Repräsentant.“ Deshalb sei er auch Vereinskollegin Gudrun Millsimmer und allen anderen insgesamt 30 Mitgliedern so dankbar für all die Kleinigkeiten, die sie aus Idealismus machen. „Gudrun Millsimmer ist seit gut zehn Jahren dabei und ich bin froh, dass wir sie ins Boot holen konnten, dankt er der guten Seele des Fördervereins für ihren bedingungslosen Einsatz.