Corona Permanenter Ausnahmezustand
Die Kliniken im Salzlandkreis arbeiten an der Belastungsgrenze. Mittlerweile sind alle Krankenhäuser Schwerpunktkrankenhäuser.
Staßfurt/Schönebeck l In den sowieso personell nicht perfekt ausgestattenen Ameos-Krankenhäusern in der Region ist die Situation im Spätherbst 2020 prekärer geworden. Während es bei der ersten Corona-Welle im Frühling 2020 gereicht hat, Bernburg als Schwerpunkt-Krankenhaus für die Behandlung von Covid-19-Patienten vorzuhalten, muss der Krankenhausbetreiber seit Ende November eine andere Strategie fahren. „Es gibt kein Schwerpunkt-Krankenhaus mehr. Alle Krankenhäuser sind Schwerpunkt-Krankenhäuser“, sagt Dr. Klaus Henning Thomas, Chefarzt für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Infektiologie am Ameos Klinikum Aschersleben sowie Leiter des medizinischen Krisenstabs.
Im Salzlandkreis werden nicht nur in Bernburg, sondern auch in Aschersleben und Schönebeck Covid-19-Patienten behandelt. Noch immer zählt der Salzlandkreis zu den Landkreisen mit den höchsten Inzidenz-Werten in Sachsen-Anhalt. Aktuell (Stand gestern) ist die Lage so: Aktuell befinden sich 120 Covid-Patienten in stationärer Behandlung. 48 in Aschersleben-Staßfurt, 27 in Bernburg, zehn in Halberstadt, 18 in Haldensleben und 17 in Schönebeck. 25 Patienten liegen auf Intensivstationen. Davon acht in Aschersleben-Staßfurt, sechs in Bernburg, vier in Halberstadt, drei in Haldensleben und vier in Schönebeck.
Dabei besteht auch die Möglichkeit, die Anzahl der Intensivbetten zu erhöhen. „Innerhalb der Standorte in der Region Ameos Ost können wir flexibel reagieren“, sagt Regionalgeschäftsführer Freddy Eppacher. Das sei eine Frage der Planung und Steuerung. Ameos muss dabei auch flexibel reagieren, um zu verhindern, dass einzelne Krankenhäuser wegen Überlastung und Personalnot geschlossen werden müssen.
„In der ersten Welle hatten wir noch einen regulären Krankenhausbetrieb. Den haben wir in der zweiten Welle nicht mehr. Die Fallzahlen sind sehr hoch. Besonders der Salzlandkreis hat eine hohe Belastung. Wir befinden uns in einem permanenten Ausnahmezustand“, sagt Eppacher.
Das hat zahlreiche Auswirkungen auf die alltägliche Arbeit. Seit März werden lebensnotwendige Operationen vorgenommen, alle anderen aber verschoben. Lebensnotwendig ist beispielsweise das Entfernen von Tumoren oder das Legen von Sofortkathetern. „Die Frage, die wir uns stellen, ist: Verschlimmert eine fehlende Operation den Zustand des Patienten?“, erklärt Eppacher. Wenn die Diagnose auf einen sich verschlechterten Zustand hinweist, werde operiert. „Das wäre sonst unterlassene Hilfeleistung“, betont Eppacher.
Klar ist dabei auch: Egal wie knapp die Kapazitäten vor Ort sein sollten, jeder Notfallpatient wird grundsätzlich erstversorgt. „Es wird nicht passieren, dass wir Notfallpatienten jemals wegschicken“, betont Eppacher. „Neben der Behandlung von Patienten mit Covid-19 haben wir den Auftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Das bereitet uns seit einigen Wochen Kopfschmerzen. Wir sind an der Grenze“, sagt Dr. med. Kersten Borchert, Chefacharzt für Hämatologie und Onkologie sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor in Aschersleben-Staßfurt.
Operationen sind nicht grundsätzlich gestrichen, sondern dies werde individuell entschieden. Täglich werde in der Planung besprochen, was möglich ist und was nicht. Nahezu ausgeschlossen sind jedoch Operationen, die eine intensivmedizinische Nachbetreuung benötigen. Hintergrund ist, dass die Intensivbetten für Covid-19-Patienten benötigt und vorgehalten werden. Doch auch spezielle Behandlungen, die nur im Krankenhaus möglich sind, werden in die tägliche Planung einbezogen.
Auch nicht lebensnotwendige Operationen könnten im Laufe der Zeit lebensnotwendig werden. Der Patienten-Stau sei immens. „In ganz Deutschland ist unklar, wie dieser Rückstand an Operationen aufgeholt werden kann“, erklärt Eppacher. Flacht die Pandemie ab, müsse es eine schonende Rückkehr geben, um nicht direkt wieder an Limits zu gehen.
Befürchtet wird ebenfalls, dass viele Patienten in einem schlechteren Zustand zurückkehren. So sei bei Leukämie-Patienten eine Verschlechterung über einen so langen Zeitraum denkbar. „Wir appellieren an die Patienten, ihre Termine bei Hausärzten und Kliniken weiterhin regelmäßig wahrzunehmen, um Schlimmeres abzuwenden“, so Eppacher.
Gleichzeitig bestätigt Eppacher, dass die finanziellen Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Können die Ameos-Krankenhäuser noch auskömmlich arbeiten? „Natürlich nicht. Es gibt verschiedene Maßnahmenpakete für Krankenhäuser, aber das reicht nicht aus, um weniger Patienten und gleichzeitig höhere Anforderungen zu kompensieren“, so Eppacher. Das Problem: Die Behandlung von Patienten auf den Corona-Stationen ist pflegeintensiver und personalintensiver und mit größerem finanziellen Aufwand verbunden. „Den Großteil der Belastung in der Corona-Pandemie tragen Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung“, erklärt Eppacher. Dazu gehören die Ameos-Krankenhäuser. Das wird anerkannt, aber es brauche mehr finanzielle Zuwendung. Man hoffe hier auf die Politik.
Das Land Sachsen-Anhalt hat bereits Geld zur Verfügung gestellt. „Wir haben uns entschieden, den Krankenhäusern im Land kurzfristig und unbürokratisch zu helfen und die insgesamt mehr als 43 Millionen Euro bereits Anfang Januar zur Verfügung zu stellen“, sagt Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne in einer Pressemitteilung. „Wir wollen die Liquidität sicherstellen, damit die Häuser die Corona-Belastungen besser schultern können.“ Im vergangenen Jahr waren die Fördermittel im Frühjahr erstmals ausgezahlt worden.
Mit den Zahlungen sollen Erlöseinbußen durch Freihaltung von Kapazitäten gegenfinanziert werden. Damit Gelder fließen, gibt es Bedingungen. Eine Notfallversorgung ist Grundvoraussetzung. Dazu muss der Inzidenz-Wert über 70 liegen und die Auslastung der Intensivstationen bei über 75 Prozent.
Alle Kliniken bei Ameos Ost sind benannt für Ausgleichszahlungen. „An einigen Einrichtungen erhalten wir diese Zahlungen. Diese reichen leider nicht aus, um die Mehraufwendungen durch Covid zu kompensieren“, teilt Ameos mit. Wie groß die Verluste sind, kann Ameos wegen der Komplexität nicht beziffern.
Darüber hinaus hat Ameos Prämien bekommen. „Die Höhe der Sonderzahlungen und die Bezugsgruppen variieren entsprechend den jeweiligen Vereinbarungen. Im Gesamtkontext der nach wie vor sehr unklaren finanziellen Ausstattung der Klinika durch die Politik können Sonderzahlungen, wie zum Beispiel Prämien, leider nur durchgeführt werden, wenn diese auch refinanziert werden“, heißt es von Ameos.