Bahnhofsfest Regierungszug zieht an

Eisenbahn zum Anfassen gab es beim neunten Bahnhofsfest in Egeln. Höhepunkt war hier Ulbrichts Regierungszug.

08.05.2017, 05:00

Egeln l Lila ist der Dieselschnelltriebwagen angestrichen, der am Egelner Bahnhof steht. In dem Zug ließ sich einst Walter Ulbricht durch die DDR und die sozialistischen Bruderstaaten kutschieren. 1961 wurde der Regierungszug offiziell in Dienst gestellt, weiß Peter Polaschek. Zusammen mit seiner ehrenamtlich tätigen Mannschaft bauen die Eisenbahnfans den ehemaligen Regierungszug wieder auf. In Delitzsch ist der Triebwagen zuhause. Bis 1973 wurde er genutzt. Als es zum Machtwechsel in der DDR kam und Ulbricht abgesetzt wurde, verschwand mit ihm der lilafarbene Zug. In einer Halle sei er abgestellt und vergessen worden, sagt er. „Wir hatten Glück, dass er in einer Halle stand und so die Jahrzehnte überdauert hat. Erst nach dem Mauerfall wurde der Triebwagen wieder entdeckt“, schildert er.

Seither haben die Delitzscher Tausende Stunden in das Schienenfahrzeug gesteckt. Dabei könnte der stromlinienförmig gestaltete Zug noch eine andere Gesichte erzählen, kennt sich Peter Polaschek aus. 1935 wurde der Triebwagen von der Deutschen Reichsbahn in Dienst gestellt. Deutschland galt damals als Hochtechnologieland, was die Eisenbahnen betraf. Mit 160 Stundenkilometer verband der Triebwagen die Städte mit der Hauptstadt. „Allerdings konnte sich nicht jeder die Fahrkarte dafür leisten. Die waren sündhaft teuer“, sagt er.

Aktuell sei der Triebwagen fahrbereit. Er sei als Waggon zugelassen und könne gezogen werden. Rund 1,5 Millionen Euro wollen die Eisenbahnfreunde in Zukunft in den Zug stecken, damit er wieder selbständig fahren kann, erzählen die Eisenbahner mit leuchtenden Augen. Zwei 600 PS starke Maybach-Motoren trieben das Gefährt einst an. Die Originalmotoren wollen die Eisenbahner wieder verwenden, wenn sie aufgearbeitet sind.

Nur wenige Gleise daneben steht eine Diesellok. Das Model BR 215 wurde etwas aufgemotzt, sagt Lokführer Torsten Wahle. Er ist mit der Lok regelmäßig für das in Egeln ansässige Unternehmen in der ganzen Bundesrepublik unterwegs. 2000 PS bringt die Lokomotive dabei an Leistung auf die Schiene.

Beim Bahnhofsfest dürfen die Besucher auch mal in den Lokführerstand. Nicht viel Platz gibt es in der Lok, die in den 1960er Jahren gebaut wurde. Gleich hinter dem Lokführer, durch eine schallgeschützte Wand getrennt, befindet sich der Dieselmotor. Die Kraft des Verbrennungsmotors wird direkt auf die Räder übertragen und ist damit anders, als bei dieselelektrischen Loks, die Strom erzeugen, der über Elektromotoren die Räder antreibt.

Im laufenden Betrieb werde es regelmäßig schön warm auf der Lok, schildert Torsten Wahle. Im Sommer nimmt er deshalb eine mobile Klimaanlage mit, um die Temperaturen erträglich zu halten. Mit seinen Güterzügen ist er vor allem nachts auf den Strecken in der Bundesrepublik unterwegs. Acht Stunden muss er sich dann auf die Strecke und die Technik konzentrieren.

Einige Erlebnisse hat bereits bei der Arbeit gehabt. So sei es nicht so selten, dass mal ein Bahnübergang nicht geschlossen sei, wenn er mit dem Zug anrolle, schildert er. Ebenso sei es bereits passiert, dass der Zug nicht dort angekommen sei, wo er eigentlich hinfahren sollte. Einmal sei er an der Grenze zur Tschechei gewesen. Kilometerlang sei die Strecke grün gewesen, erinnert er sich noch. „Wir sind gefahren, haben wegen der Dunkelheit nicht viel gesehen. Dann kam der Ruf über Funk: Sofort anhalten“, sagt er. Da sei der Zug schon weit über das Ziel hinaus gefahren gewesen. Dass heiße es mitunter den Rückwärtsgang einlegen, schmunzelt er.

Mit der Beruf als Lokführer habe er sich einen Kindheitstraum erfüllt, erzählt er. Die Nachfrage nach Lokführern sei sehr groß, weiß er. Händeringend werden sie gesucht. Nicht umsonst lasse auch die Arbeitsagentur jedes Jahr Menschen umschulen. Die Ausbildung dauere einige Monate und danach sei ein Job sicher, erzählt er.

Etwas umfangreicher ist die Ausbildung auf einer alten Dampflokomotive. Die Staßfurter sind mit ihrer Jumbo nach Egeln gedampft. 2000 PS bringt das stählerne Ungetüm auf die Schiene. Eine Fahrt müsse aber gut geplant sein. Denn bis zu acht Stunden vor der Abfahrt muss der Kessel geheizt sein, damit sich ausreichend Dampf bildet, sagt Heizer Marcus Meinert, der die Fahrt auf dem Ungetüm sichtlich mit seinen Kollegen genießt.