Gefährliche Hunde Wie geht es weiter nach dem Beißvorfall in Güsten?
Eine Welt bricht für eine Familie aus Güsten zusammen, als ihr Dackel von einem fremden Hund totgebissen wird. Dass die Ämter gleich nüchtern ankündigen, dass der Vorfall nicht unbedingt Konsequenzen für den anderen Halter haben muss, wirft weitere Fragen auf. Wer schützt jetzt andere Hunde, gar Kinder vor dem Beißer? Darf er immer noch frei herumlaufen?

Güsten - Diese Fragen bleiben für Familie Bähr, auch wenn mittlerweile über drei Wochen seit dem schrecklichen Tag Ende April in Güsten vergangen sind: Warum hat die tödliche Attacke eines Hundes auf ihren Dackel Charlie für den Halter keine sofortigen Konsequenzen? Warum darf er seinen offenbar gefährlichen Hund frei auf der Straße herumlaufen lassen? Warum wird das Tier nicht eingezogen und sachgemäß untergebracht? Wird der Halter überprüft?
Angriff auf offener Straße
Es ist mehr als der Vorfall an sich, die Familie Bähr aus Güsten umtreibt. Der allein war schon sehr brutal und ereignete sich unter den Augen der Kinder, für die Dackel Charlie ein Familienmitglied war: An einem ganz normalen Nachmittag gehen die Kinder mit ihrem Hund raus zur Gassirunde. Wenige Minuten später stehen zwei der Kinder tränenüberströmt wieder zuhause vor der Tür. Das berichtet die Mutter, Rebecca Bähr.
Die Eltern rennen los und finden eine Traube von Menschen mit ihren drei weitere, verängstige Kinder auf der Straße. Auf dem Gehweg nahe Güstener Bahnhof liegt Dackel Charlie regungslos da. Er ist tot. „Ich brach unter Tränen mit meinen Kindern im Arm zusammen“, erinnert sich Rebecca Bähr. Die Kinder leiden bis heute unter dem Vorfall.
Zeugen und Kinder berichten, dass ein fremder und größerer Hund frei und ohne Aufsicht herumlief. Er hatte den Dackel tödlich verletzt und die Kinder angegriffen. Augenzeugen berichten von einem jungen Mann, der die Kinder mit einer Stange verteidigt hat, sodass der Angreifer-Hund abzog. Bis heute sucht die Familie nach dem Mann, bei dem sie sich aufrichtig bedanken will.
Polizei und Ordnungsamt gerufen
Was dann passiert, versetzt der Familie noch einen Schlag ins Herz: Die Polizei wird gerufen, eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts kommt. Der Besitzer des Hundes wird ausfindig gemacht. Der Eindruck von Familie Bähr: Er wirkt betrunken und scheint sich nahezu heiter mit den Beamten zu unterhalten.
Er sperrt seinen Hund auf seinen Hof in der Nähe und damit hat es sich scheinbar: „Es wurde das Tier nicht mitgenommen oder eine Maulkorb-Pflicht oder sonst welche Aufforderungen oder Belehrungen vor Ort erlassen“, ärgert sich Rebecca Bähr. „Wir waren alle fassungslos, dass der Hund nicht mal überprüft wurde, ob er vielleicht krank ist oder nicht artgerecht gehalten wurde. Nix!“
Behörde leitet Verfahren ein
Eine Überprüfung des Hundes vor Ort fand tatsächlich nicht statt. Polizei und Ordnungsamt haben den Fall aufgenommen. Das Ordnungsamt in Güsten hat in dem Fall getan, was gesetzlich vorgeschrieben ist: „Es wurde gemäß Hundegesetz des Landes Sachsen-Anhalt das Verfahren zur Feststellung der Gefährlichkeit eingeleitet“, so Manuela Hüddersen, Fachbereichsleiterin bei der Verbandsgemeinde Saale-Wipper.
Das heißt: Der Halter des angreifenden Hundes muss für sein Tier nun einen Wesenstest vorlegen, um das sozialverträgliche Verhalten des Hundes nachzuweisen. Hüddersen: „Außerdem hat der Hundehalter eine Sachkundeprüfung abzulegen.“ Beides muss er innerhalb von drei Monaten nach dem Vorfall beim Amt einreichen.
Der Ausgang ist offen: „Ob der Hund dem Halter entzogen wird, entscheidet sich nach dem Abschluss des Verfahrens. Wenn der Hundehalter nach Nachweis über einen erfolgreichen durchgeführten Wesenstest und den erfolgreichen Abschluss der Sachkundeprüfung vorlegt, kann der den Hund weiter halten.“
Betroffene entsetzt
Diesen Satz hörte Familie Bähr bereits während der Aufnahme des Vorfalls vom Ordnungsamt Güsten. Die Ankündigung, dass der Vorfall also auch durchaus ohne Konsequenzen bleiben kann, wirkt für Familie Bähr in der Situation „eiskalt“. Hätte man nicht menschlicher agieren können, fragt Rebecca Bähr. „Uns wurde sehr sehr oft vor Augen gehalten, dass es um eine Sachbeschädigung geht, nicht mehr und nicht weniger.“
Die Situation mit den Beamten eskaliert kurz. Emotionen kochen hoch. Traurig und enttäuscht sammelt die Familie ihr totes Tier auf und begräbt es zuhause im Garten. Die Familie sorgt sich weiter: Was wenn der Hund noch andere Hunde oder sogar Kinder angreift?
Ob der Halter seinen Hund das erste Mal allein auf die Straße ließ? Das ist jedenfalls laut Ordnungsamt verboten: Es gibt zwar keine Leinenpflicht in Güsten, aber als Freigänger dürfen Hunde nicht allein draußen herumlaufen. Der Angreifer-Hund in diesem Fall ist außerdem seit dem Beißvorfall „auf allen öffentlichen Straßen an der Leine zu führen“, so das Ordnungsamt.
