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Jugendbeirat Wie kommt man eigentlich auf und in „die“ Politik?

Mit dem Jugendbeirat gibt Staßfurt dem Nachwuchs wieder eine politische Stimme. Was ist geplant, und wie sind die Köpfe der Parteien einst in „die“ Politik gekommen?

Von Tobias Winkler 18.07.2025, 05:00
Die Übergabe der Berufungsurkunden im Februar (von links): Caitlin Pape, Lucy Linge, Martha Lou Czuratis und Fiona Richter erhalten die Urkunden von Bürgermeister René Zok.
Die Übergabe der Berufungsurkunden im Februar (von links): Caitlin Pape, Lucy Linge, Martha Lou Czuratis und Fiona Richter erhalten die Urkunden von Bürgermeister René Zok. Foto: Nadja Bergling

Staßfurt - Staßfurt hat wieder einen Jugendbeirat – die Politiker an der Bode, alterstechnisch sind sie damit bunter gemischt denn je. Wie sind die älteren selbst in die Politik gekommen, was tun die im „großen“ Rat der Stadt vertretenen Parteien, um die Jugend zu überzeugen?

Teil 1: Die Rückkehr des Jugendbeirats

Impulse und Ideen einbringen – oder Staßfurt aktiv mitgestalten

Seit wenigen Monaten ist die Jugend wieder offiziell Teil der Staßfurter Politik. Nach ein paar Jahren Pause, hat die Stadt mit dem Jugendbeirat ein Sprachrohr wiederbelebt, welches jene Interessen und Belange vertritt, die altersgemäß schnell mal aus dem Fokus geraten.

In den kommenden Wochen und Monaten wollen Martha Lou Czuratis (15, Vorsitzende), Lucy Linge (15, Zweite Vorsitzende), Marie Lärz (16, Schwerpunkt Social Media), Caitlin Pape (17), Fiona Richter (13), Franz Gbur (16) und Sören Poggemann (16) weiter zusammenwachsen, Werbung machen, die Strukturen stärken – und Staßfurts Jugend eine neue politische Stimme geben.

Auf epaper.volksstimme.de lesen! Die Rückkehr des Jugendbeirats (Staßfurter Volksstimme, 18. Juni 2025)
Auf epaper.volksstimme.de lesen! Die Rückkehr des Jugendbeirats (Staßfurter Volksstimme, 18. Juni 2025)
Screenshot: Volksstimme

„Grundsätzlich ist das politische Interesse bei vielen Jugendlichen in Staßfurt vorhanden“, sagt Martha Lou Czuratis. „Viele freuen sich, dass es den Jugendbeirat gibt und dass wir uns für ihre Interessen einsetzen möchten.“ Selbst aktiv einzusteigen, das lag für die 15-Jährige nah – „natürlich gab es auch Einflüsse aus meiner Familie, da auch sie politisch aktiv ist“.

Für viele andere sei Politik indes immer noch und zu oft ungreifbar, irgendwas aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm, von irgendwo hinter einer Hemmschwelle. Czuratis: „Ich bin überzeugt, dass wir – wenn wir alle am selben Strang ziehen – langfristig viel bewegen können.“

Grundsätzlich ist das politische Interesse bei vielen Jugendlichen in Staßfurt vorhanden.

Martha Lou Czuratis

Welche Ziele liegen der Vorsitzenden besonders nah? „Mir persönlich liegt besonders am Herzen“, sagt sie, „die Freude an dieser Arbeit nicht zu verlieren.“ Zudem wünsche sie sich, noch mehr mit Jugendlichen in den Austausch zu kommen, deren Interessen zu vertreten und gemeinsam Dinge für Staßfurt umzusetzen. „Mit Haltung und Engagement.“

Die Erfahrungen der vergangenen Wochen machen Mut, geben Hoffnung – man will sichtbarer werden, die interne Organisation festigen. Martha Lou Czuratis meint: „Veränderungen brauchen Zeit, aber kleine Schritte führen irgendwann zum Ziel.“

Allen, die Impulse und Ideen einbringen wollen: Sie können sich bei Fragen, Wünschen und Anregungen per E-Mail melden, jugendbeirat-sft@stejh.de. Wer aktiver mitgestalten möchte: Auf www.stassfurt.de findet sich das Anmeldeformular. Laden, ausfüllen, an die Stadt senden – die Bewerbung wird an den Jugendbeirat weitergeleitet. Voraussetzung ist, dass man mindestens zwölf, maximal 27 Jahre alt ist und in Staßfurt (oder einem Ortsteil) wohnt.

Teil 2: „Kommunalpolitik ist kein Sprint“

Drei Fragen an: Peter Rotter, Vorsitzender des Stadtrats und Ortsbürgermeister von Förderstedt

Peter Rotter, Jahrgang 1955, ist seit 33 Jahren Politiker, in Kommune wie Land. Derzeit als Ortsbürgermeister Förderstedts und Vorsitzender des Stadtrats tätig, ist der 70-Jährige nach wie vor von der Christdemokratie überzeugt. Die CDU? „Meine erste – die werd’ ich auch behalten.“
Peter Rotter, Jahrgang 1955, ist seit 33 Jahren Politiker, in Kommune wie Land. Derzeit als Ortsbürgermeister Förderstedts und Vorsitzender des Stadtrats tätig, ist der 70-Jährige nach wie vor von der Christdemokratie überzeugt. Die CDU? „Meine erste – die werd’ ich auch behalten.“
Foto: Lutz Krüger

Herr Rotter, was hat Ihr Interesse an Politik geweckt?

Peter Rotter: Wirklich politisch war ich lange nicht. Erst mit 37 Jahren – nach der Wende, 1992 – ist mir das überhaupt in den Sinn gekommen. Da hatten wir die Gelegenheit, mitzugestalten. Das war ein Glücksfall der Geschichte.

Seit Kurzem ist der Jugendbeirat zurück in Staßfurts Politik. Wie erleben Sie den Nachwuchs?

Peter Rotter: Es ist sicherlich nicht immer einfach gegen die alten Herren – auch wenn die Politiker in Staßfurt mit einem Altersschnitt von rund 55 Jahren recht jung aufgestellt sind. Mit ein paar Dinosauriern. Einen Jugendbeirat hatten wir vor ein paar Jahren schon mal – das ist dann irgendwann eingeschlafen. Seit einem Jahr bringt man sich wieder ein, wird gehört! Kommunalpolitik ist kein Sprint, eher ein Marathon. Ankommen ist das Ziel. Wer das schafft, hat was erreicht.

Nix zu meckern! Danke Ihnen.

Peter Rotter: Meckern ist doch vollkommen normal – konstruktive Kritik. Der Jugendbeirat ist aufgefordert, zu berichten, in jeder Sitzung. Als ein wichtiges Gremium, etwa neben Senioren- und Sicherheitsbeirat.

März 2025: Lucie Linge (links) und Martha Czuratis bitten im Stadtrat um Unterstützung bei der Erstellung einer Internetseite.
März 2025: Lucie Linge (links) und Martha Czuratis bitten im Stadtrat um Unterstützung bei der Erstellung einer Internetseite.
Foto: Falk Rockmann

Teil 3: Die Köpfe der Fraktionen

Wie sind die Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat Staßfurt vertretenen Parteien selbst in und auf „die“ Politik gekommen? Stimmen.

Alternative für Deutschland (AfD)

Verantwortung? Jederzeit!

Matthias Büttner (42), Fraktionsvorsitzender Alternative für Deutschland (AfD)
Matthias Büttner (42), Fraktionsvorsitzender Alternative für Deutschland (AfD)
Foto: Privat

In unserem Land läuft vieles schief – und kaum jemand spricht klar aus, was viele denken.

Matthias Büttner

Das Gefühl, „dass in unserem Land vieles schiefläuft und kaum jemand klar ausspricht, was viele denken“, sagt Matthias Büttner, Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), habe ihn einst in die Politik gezogen. Sein Weg begann bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft Salzland (UWG), 2014 der Wechsel zur AfD. „In Staßfurt sehe ich wachsendes Interesse junger Menschen an Politik – das zeigen auch die klaren AfD-Ergebnisse bei den Jugendwahlen im Salzlandkreis.“ Wer in der Partei mitgestalten möchte, könne auf www.afd.de einen Mitgliedsantrag ausfüllen und absenden – oder ihn ausgedruckt im Briefkasten der Geschäftsstelle (Hohlweg) einwerfen. „Verantwortung zu übernehmen, ist jederzeit möglich.“

Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Eine Portion Gelassenheit

Bianca Görke (58), Fraktionsvorsitzende Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
Bianca Görke (58), Fraktionsvorsitzende Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
Foto: Frank Klemmer

Ich freue mich, dass es wieder einen Jugendbeirat gibt. Das braucht es als Pendant zu unserem oft eingeengten Blickwinkel.

Bianca Görke

Kultur, Bildung und Sport – das waren Bianca Görkes Themen, als die damals als Kreissportlehrerin arbeitende Politikerin als berufenes Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung (DDR) tätig war. „Nach der Wende waren es die vielen Kahlschläge, die mich entsetzten und antrieben“, sagt sie. Grundsätzlich gehe sie Dingen gern auf den Grund – das treibe sie an. „Ich freue mich, dass es wieder einen Jugendbeirat gibt. Mit Lukas Tran hatten wir vor Jahren auch einen aktiven Streiter für Themen der Jugend. Das braucht es als Pendant zu unserem oft eingeengten Blickwinkel.“ Mit Mut, auch unangenehme Dinge auszusprechen, und einer Portion Gelassenheit bei Gegenwind lasse sich einiges gestalten.

Christlich-Demokratische Union (CDU)

Erfreulich erfolgreich

Dominik Iser (41), Fraktionsvorsitzender Christlich-Demokratische Union (CDU)
Dominik Iser (41), Fraktionsvorsitzender Christlich-Demokratische Union (CDU)
Foto: Privat

Da die CDU damals schon am ehesten meinen Werten entsprochen hat, bin ich mit 21 Jahren dort eingetreten.

Dominik Iser

Ein Schlüsselerlebnis für sein politisches Interesse, sagt Dominik Iser, Fraktionsvorsitzender der Christlich-Demokratischen Union (CDU), das habe es nicht gegeben. „Ich habe mich schon immer für Politik interessiert und wollte gerne mitgestalten“, sagt er. „Da die CDU damals schon am ehesten meinen Werten entsprochen hat, bin ich mit 21 Jahren dort eingetreten.“ Das Interesse der Jugend sei „grundsätzlich da“. Manchmal fehle es an der Bereitschaft, aber auch den Angeboten, sich aktiv zu beteiligen. „Was auch der langwierige und erfreulicherweise erfolgreiche Weg der Reaktivierung des Jugendbeirats zeigt.“ Für (neue) Mitstreiter sind neben Jonas Zelmer und Kathrin Walter alle Fraktionsmitglieder „immer gute Ansprechpartner“.

Die Linke

Aktiv einbeziehen

Klaus-Dieter Magenheimer (77), Fraktionsvorsitzender Die Linke
Klaus-Dieter Magenheimer (77), Fraktionsvorsitzender Die Linke
Foto: Arno Zähringer

Ich habe gelernt, zuzuhören und die Fragenstellenden bei der Lösung ihrer Probleme aktiv einzubeziehen.

Klaus-Dieter Magenheimer

In seinem Elternhaus wurde Klaus-Dieter Magenheimer (Die Linke) frühzeitig zum politischen Handeln erzogen – während der Schulzeit war er in der Jugendorganisation aktiv. „Zur Partei kam ich während meiner Lehrzeit“, sagt er, „wegen meiner Entscheidung, Offizier zu werden.“ Schon als langjähriger Jugendfunktionär hätten ihm die Auffassungen junger Menschen sehr am Herzen gelegen. „Ich habe gelernt, zuzuhören und die Fragenstellenden bei der Lösung ihrer Probleme aktiv einzubeziehen.“ Bei Gesprächen, Heimat-, Sport-, und Kulturveranstaltungen merke man deutlich das gewachsene Interesse der Jugendlichen an der Politik. Eine konkrete Kontaktperson der Partei sei Tim Biermordt (Wahlkreisbüro Bernburg).

Freie Demokratische Partei (FDP)

Immer wieder begeistert

Günter Döbbel (66), parteiloser Fraktionsvorsitzender Freie Demokratische Partei (FDP)
Günter Döbbel (66), parteiloser Fraktionsvorsitzender Freie Demokratische Partei (FDP)
Foto: Privat

Da habe ich für mich entschieden, aktiv den Umbruch im Ort mitzugestalten.

Günter Döbbel

Die Bürgergespräche 1989 und 1990 im damaligen Kulturhaus Atzendorf waren Günter Döbbels Schritt in die Politik. „Da habe ich für mich entschieden, aktiv den Umbruch im Ort mitzugestalten“, sagt der parteilose Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten (FDP). Die „erste freie Wahl“ 1990 brachte ihn mit 31 Jahren als Abgeordneter in die Sportfraktion des Ortschaftsrats – seine politische Laufbahn prägten Gebiets- und Gemeindereformen, verschiedene Funktionen in Ortschafts-, Stadt- und Aufsichtsrat, dazu Tätigkeiten als Kreissportbundvizepräsident oder Sportvereinsvorsitzender. Die FDP sei begeistert, wie leidenschaftlich Jugendliche für ihre Überzeugungen eintreten und welche Bühnen sie sich dafür erschließen.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Manchmal hartnäckig

Frank Rögner (44), Fraktionsvorsitzender Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Frank Rögner (44), Fraktionsvorsitzender Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Foto: Privat

Ich habe mich einer Wahl gestellt – und bin als Nachrücker dazugestoßen.

Frank Rögner

In die Politik habe Frank Rögner, Fraktionsvorsitzender der SPD, einst eine persönliche Anfrage aus dem Ortschaftsrat geführt. „Ich habe mich einer Wahl gestellt – und bin als Nachrücker im Verlauf der Legislaturperiode dazugestoßen“. Das Interesse der Staßfurter Jugend sei da. „Ich denke, dass wir manchmal nicht willens oder in der Lage genug sind, ihr wirkliche Chancen einzuräumen, in die einzelnen Gremien gewählt zu werden.“ Daran gelte es, zu arbeiten. Grundsätzlich brauche es politisches Interesse an Umgebung, Lebensumfeld und Heimat – manchmal „Empathie, ein wenig Hartnäckigkeit und Beuteltreterei“. Erreichbar ist die SPD per Instagram, @spd_stassfurt, sowie „gern persönlich und direkt in der Stadtratsfraktion“.

Unabhängige Bürgervertretung Staßfurt (UBvS)

Einfach melden!

Ralf-P. Schmidt (53), Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürgervertretung Staßfurt (UBvS)
Ralf-P. Schmidt (53), Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürgervertretung Staßfurt (UBvS)
Foto: Privat

Den Jugendentwicklungsplan haben wir in den Clubs geschrieben. Heute kaum vorstellbar!

Ralf-P. Schmidt

Nach der Wende standen für Ralf-P. Schmidt viele Themen auf der Agenda – zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Sozialabbau oder die „Interessenvertretung für die Vergessenen“. So habe er sich in einer Jugendinitiative engagiert – später, mit 21, als jüngster Stadtrat und Vorsitzender des Ausschusses für Jugend und Soziales. Es folgte der erste Jugendentwicklungsplan, den er „in den Clubs“ geschrieben habe. „Heute kaum vorstellbar.“ Wichtig ist ihm: „Wir sind keine Partei, sondern eine Bürgervertretung!“ Da klassische Parteien „sehr unflexibel“ seien, viele an Posten hingen, könne das demotivieren. „Doch es ist auch immer typbedingt.“ Wer mitmachen möchte: „Meine Kontaktdaten stehen überall im Netz, einfach melden.“