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Flüchtlinge Helfen, weil er es will und kann

Hassan Brifkany. Dieser Name ist vielen Flüchtlingen ein Begriff. Der Iraker lebt seit 1999 in Stendal und hilft, wo er kann.

Von Egmar Gebert 15.12.2015, 00:01

Stendal l Tische stehen im Karree. Junge Männer sitzen daran, blicken auf dem Mann in der Mitte, hängen an seinen Lippen. Dieser Mann spricht und versteht nicht nur ihre Sprache, er versteht auch was sie nicht unbedingt sagen, weil sei es kaum in Worte fassen können, in deutsche schon gar nicht. Für letzteres Problem gibt es diesen Deutschkurs des Instituts für berufliche Bildung (IBB) in der Röxer Straße, den die 25 jungen Syrer seit Kurzem besuchen. Für das andere Problem, das Umgehen mit der neuen Situation, das Fremde, Ungewohnte, das auf sie einstürmt und mit dem sie noch nicht immer umzugehen wissen, ist der Mann da, dem sie gerade so aufmerksam zuhören.

Hassan Jasim Ibrahim Brifkany heißt er, ist 46 Jahre, im Irak geboren und seit 1999 in Stendal zu Hause. So wie die Männer, die vor ihm sitzen, ist er aus seiner Heimat geflohen. So wie einige der neuen Flüchtlinge war er damals Ende 20 und ebenso unsicher. „Ein bisschen kann ich mich in ihre Situation reinfinden. Obwohl, die in vieler Hinsicht ganz anders ist als damals“, sagt Hassan Brifkany und erklärt auch gern, was aus seiner Sicht und jahrelangen Erfahrung dieses Andere ist. „Es gibt viel mehr Hilfsangebote, viele Menschen, die sich kümmern.“ Brifkay anerkennt das, zieht, wie man es auf Deutsch wohl sagen würde, den Hut vor so viel Engagement für Flüchtlinge, vor dem vom Staat und vor allem vor dem der Leute.

Dass er selbst einer dieser „Leute“ ist, sei jedoch nichts, wofür niemand danke sagen müsste, betont er. Schließlich gebe er doch nur ein bisschen zurück und außerdem: „Helfen, das ist Teil unserer Kultur, unserer Religion. Man hilft sich. Wir helfen, wenn wie es können.“ Und weil das so ist, steht er in seinem „Laden“ – der gelernte Friseur hat sich 2004 mit einem Kiosk selbstständig gemacht, betreibt seit sechs Monaten ein Lebensmittelgeschäft – nicht nur hinterm Ladentisch. Hassans Laden ist, weil sich so etwas unter den Flüchtlingen schnell rumspricht, auch Informationspunkt.

„Wie ist dieses oder jenes hier in Deutschland? Warum ist es so? Was mache ich falsch? Was kann ich tun?“ Das seien die häufigsten Fragen. Und die meist gegebene Antwort, die Hassan Brifkany gibt: „Lerne die deutsche Sprache, das ist ganz wichtig. Und habe Respekt. Dann kannst Du Dich integrieren.“

Das mit der Sprache bedarf keiner weiteren Erklärung. Das mit dem Respekt ist dem Muslim erklärende Sätze wert. „Sie kommen aus Syrien oder Afghanistan oder anderen islamischen Ländern. Sie kennen die deutsche Kultur nicht. Die Art zu leben ist eine andere. Da muss ich mich anpassen. Das heißt ja nicht, dass ich meine eigene Kultur verleugne. Ich muss akzeptieren, wie die Menschen hier leben. Wenn ich akzeptiere, Respekt habe, werde auch ich akzeptiert und respektiert.“

 Das gehe nicht immer schnell, aber es gehe, ist seine Erfahrung. Und die gebe er gern weiter. „Das geht bei ganz alltäglichen Dingen los. Einkaufen zum Beispiel. An der Kasse stelle ich mich hinten an. Oder auf dem Gehweg. Der rot gepflasterte Teil ist für Radfahrer, da läuft man nicht drauf. Oder die Sache mit der Mülltrennung. Die gibt es bei ihnen zu Hause nicht.“ Viele Kleinigkeiten seien es, die das Zusammenleben ausmachen und auskömmlich machen, wenn man sie beachtet, weiß Hassan Brifkany und schiebt mit einem Lächeln noch eine Episode nach.

„Ein deutscher Mann hat ihnen gesagt, dass er seit 1998 verheiratet ist, seine erste Tochter aber schon 1993 geboren wurde. Das verstehen sie nicht. So etwas gibt es in islamischen Ländern nicht – Kinder haben, ohne verheiratet zu sein. Hier geht das. Ich muss das ja nicht selber leben, ich muss es aber akzeptieren. Dass sie das lernen, schnell lernen, ist auch wichtig für uns, die wir schon länger hier sind.“ Ein weiterer Grund, warum sich Hassan Brifkany so engagiert. Im Deutschkurs für Flüchtlinge oder in der Islamischen Gemeinde von Stendal oder in einem Stendaler Sportverein, in dem sein großer Sohn Fußball spielt, oder ...