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Sparkassen-Skandal „Ding nicht an große Glocke hängen“

Ein Prozess im Stendaler Sparkassen-Skandal wurde am Mittwoch fortgesetzt.

16.12.2015, 23:01

Stendal l „Ich sollte das Ding nicht an die große Glocke hängen“, umschrieb der ehemalige Abteilungsleiter Gerhard U. den 80 000 Euro teuren Weinkeller im Kellergeschoss. „Top-Kunden“ sollten dort empfangen werden, habe ihm Burmeister und ein inzwischen verstorbener Sparkassen-Vorstand mit auf den Weg gegeben. Darüber zu reden „, macht sich aus Marketingzwecken nicht so gut, weil es nur für einzelne Kunden ist“.

An wichtige Details konnte sich der 65-Jährige indes nicht mehr erinnern und begründete dies mit gesundheitlichen Gründen. Dass die Rechnung des Havelberger Möbelbauers über die Geschäftsstelle Osterburg abgerechnet wurde, sei „ein Versehen“ gewesen“, wusste er aber noch.

Dass bei der stattlichen Zahl an Rechnungen nie die Position Weinkeller ausgewiesen wurde, sondern Werbemittellager, Umbau Archivschränke oder Vordrucklager, begründete der Bauingenieur wie folgt: „Ein Weinregal hat die gleiche Bauweise wie ein Vordruck- oder Archivlager. Man hätte da auch Akten reinstellen können.“

Burmeister selbst habe in der Bauphase „zwei bis drei Mal“ während U‘s Arbeitszeit in dem Kellerraum vorbeigeschaut. Schließlich habe dieser sich für den Bau verantwortlich gefühlt, erklärte der Abteilungsleiter. Beim Vier-Augen-Prinzip drückte der Ex-Chef hingegen mehr als seine beiden Augen zu. Bei Gerhard U. funktionierte es nach dessen Bekunden jedenfalls so: „Ich hatte sachlich zwei Augen und finanziell zwei Augen.“

Sparkassen-Anwalt Bernhard Steinkühler ging nach diesen Aussagen in die Offensive: Er werde den Beweis antreten, dass Burmeister in kleiner Runde unter anderem gegenüber den Vorstands-Vertretern Reiner Verenkotte und Markus Gutmann „angewiesen hat, nicht über den Weinkeller zu reden“.

Richterin Haide Sonnenberg war eingangs bemüht, die Wogen zu glätten. Ihr Zwischenfazit vom September hatte den Anschein vermittelt, dass das Gericht bei Burmeister kaum Verfehlungen sehe (Volksstimme berichtete). Gestern ruderte sie zurück . Die „gewisse Geheimhaltungstendenz“ und der Raum selbst sprächen dafür, dass der Weinkeller als „Zweckentfremdung des Betriebsvermögens“ anzusehen sei. Die Organisationsdefizite sowie die Kompetenz- und Überwachungsverstöße seien in ihrer Dimension erst im Herbst 2013 mit dem ersten umfassenden Prüfbericht deutlich geworden. Daher „dürfte die Zwei-Wochen-Frist gewahrt sein“, sagte sie mit Blick auf die Kündigung durch den Verwaltungsrat.

Zugleich skizzierte sie „die Rahmenbedingungen“ für das Gericht: Für eine fristlose Kündigung müsse eine wichtiger und objektiver Grund vorhanden sein, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Die Einbehaltung der Versorgungsbezüge setze „eine besonders grobe Pflichtverletzung“ voraus, so dass „sich die Betriebszeit als wertlos oder erheblich entwertet darstellt“. Wenn allein strafrechtliche Bestimmungen verletzt sind, reiche dies nicht aus. Sonnenberg machte auch deutlich, dass das eingestellte Steuerverfahren für das Landgericht „ohne Belang für die rechtliche Würdigung“ sei.

Ob die häufigen Dienstwagenwechsel eine Pflichtverletzung gewesen sind, sollte gestern ein Gutachten erhellen. Der unabhängige Kfz-Sachverständige machte deutlich, dass Bur-meisters Wechselfrequenz von sechs bis acht Monaten „eher selten anzutreffen“ sei. Üblich sind 24 bis 48 Monate. Zudem seien die Fahrzeuge anschließend „deutlich unter Marktwert verkauft worden“ und auch „buchhalterisch wäre der Wert deutlich höher gewesen“.

Der Gutachter stützte sich dabei auch auf Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes. Bur-meister-Anwalt Gerald Zimmer verwies auf eine Aussage des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, wonach die Nutzungsdauer zwischen 12 und 36 Monaten liege. Diese sei nicht mit Zahlen unterlegt, konterte der Experte und daher „kaum zu verwerten“.

Am 17. Februar will Sonnenberg verkünden, wie es weitergeht. Sie betonte, dass bisherige Beurteilungen „nur vorläufig“ seien: „Eine Nachberatung behalten wir uns ausdrücklich vor.“ Sparkassen-Anwalt Steinkühler kommentierte dies mit „Es freut mich, dass Missverständnisse ausgeräumt wurden“. Burmeisters Anwalt Zimmer wurde im Laufe der Verhandlung dagegen impulsiver. Kein Wunder: Der gestrige Tage ist wohl als Punktsieg für die Sparkasse anzusehen.