1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Nach 100 Jahren Pause fließt wieder Bier

Alte Brauerei Nach 100 Jahren Pause fließt wieder Bier

1917 rollte das letzte Fass Bier vom Hof der heutigen „Alten Brauerei" in Tangermünde“. 100 Jahre später lebt die Tradtion wieder auf.

Von Rudi-Michael Wienecke 24.07.2016, 01:01

Tangermünde l Im Gewölbekeller, einst Herzstück der Brauerei, entstand in den vergangenen Monaten eine rustikal-gemütliche Bar. Zum kommenden Tangermünder Burgfest in wenigen Wochen wollen Vater Armin und Sohn Christian Schulz sie in Betrieb nehmen. Daneben planen die Inhaber der „Alten Brauerei“ die Einrichtung einer Schau-Likörmanufaktur. Durch die einst beliebte Fernsehsendung „Trödel-King“ kamen sie in den Besitz der kompletten Technik „vom Anrührbehälter bis zur Verschlussmaschine inklusive Rezepten“, freut sich Christian Schulz.

Über dem einstigen Bierlager wird schon seit längerer Zeit gefeiert. Der Saal bietet 65 Personen Platz, in ihm wird geheiratet und Bands treten auf. „An den Wochenenden ist der Saal zu 100 Prozent ausgelastet“, so Armin Schulz. in den ehemaligen Pferdeställen nebenan wurden der moderne Küchen- und der Sanitärtrakt untergebracht. Dass dieser gesamte Komplex noch vor wenigen Jahren eine Ruine war, gut genug für die Abrissbirne, ist heute nicht mehr zu erkennen.

Vor 16 Jahren wagten sich Vater und Sohn Schulz, zuerst als Pächter, seit 2010 als Besitzer, an das Abenteuer „Alte Brauerei“. Bereits in der Pachtphase floss viel Geld, auch aus dem laufenden Geschäftsbetrieb, in die damals maroden Gemäuer. „Wir mussten den Verfall stoppen“, begründet Arnim Schulz. Beide schätzen ein, dass bisher rund 1,5 Millionen Euro in das Objekt flossen.

Für die aus Gladigau bei Osterburg stammenden Männer wurde das Projekt zur Lebensaufgabe. Zwangsläufig tauchen dabei auch Fragen zur Geschichte der einstigen Betriebsstätte auf. „Viel wissen wir schon, viel aber auch nicht“, so Christian Schulz, der noch immer auf der Suche nach alten Unterlagen und Fotos ist. Was er bisher in Erfahrung bringen konnte: Das alte Braugebäude wurde 1850 gebaut. Bis zu zehn Leute produzierten jährlich rund 400 000 Liter Bier, das mit Pferden und Wagen im Umkreis von 30 Kilometern ausgeliefert wurde. Dann kam der Erste Weltkrieg und damit der Mangel an Fachkräften. Die Brauer mussten an die Front. Außerdem machte die Konkurrenz der Großbrauereien, die den Markt mit lagerfähigem Bier belieferten, dem kleineren Unternehmen zu schaffen. 1917 rollte das letzte Fass Bier aus einer der letzten privaten Brauereien Tangermündes. Seitdem war das Braugebäude dem Verfall preisgegeben, nur während des Zweiten Weltkrieges wurde dort noch kurzzeitig Munition verpackt.

Nach 100-jähriger Braupause wollen Vater und Sohn nun im kommenden Jahr wieder an diese alte Tradition anknüpfen. Von ihren ursprünglichen Plänen, im einstigen Braugebäude eine Schaubrauerei einzurichten, rückten sie aber bereits 2014 ab. Das wäre wirtschaftlicher Unfug gewesen“, bringt es Christian Schulz auf den Punkt. Im sehr gut ausgelasteten Saal wären 20 Plätze verloren gegangen und mit ihnen ein Umsatz von etwa 20 Prozent.

Nach fast einjähriger Planungs- und Genehmigungsphase sind nun die Weichen dafür gestellt, die bereits vorhandene Brautechnik ebenerdig in einem Teil der Scheune zu installieren. Mit dem Umbau wurde bereits begonnen. Der Wermutstropfen: Die Hausbank konnte trotz Niedrigzinsphase nicht von dem geänderten Konzept überzeugt werden. Den Investoren ist das unverständlich. Trotz steigender Baukosten aufgrund maroder denkmalgeschützter Bausubstanz, stockendem Fördermittelfluss und zeitweiligem Baustopp durch die Denkmalschutzbehörde hat der Umsatz seit Inbetriebnahme des Saals jährlich um etwa 20 Prozent gesteigert werden können. 25 Arbeitnehmer stehen ganzjährig in Lohn und Brot. „Ohne den gut funktionierenden Saalbetrieb wären wir eindeutig mehr den saisonalen Umsatzschwankungen unterlegen, die dazu führen würden, dass wir unattraktive Saisonverträge anbieten müssten“, so Christian Schulz. Er fügt hinzu: „Es ärgert uns gewaltig, wenn man als Bank einerseits Flächen für Wohnansiedlungen in der Kaiserstadt erfolgreich zu vermarkten versucht, aber jene, die auch dafür sorgen, dass die Stadt lebendiger und attraktiver wird, überhaupt nicht konstruktiv unterstützt.“ „Was wäre die Stadt Tangermünde ohne die Vielzahl hart arbeitender Innenstadtkaufleute und Gastronomen?“, fragt sich zugleich Amin Schulz.

Vater und Sohn setzen nun zum wiederholten Male auf private Geldgeber. Mit dem Verkauf der sogenannten Bieraktie, die bereits zwischen 2011 und 2013 erfolgreich aufgelegt wurde, soll die restliche Finanzierung gesichert werden.