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Altmark-Geschichte Bittkaus letzter Fährmann

Einst gab es in fast jedem Elbedorf eine Fähre. Die letzte in der Tangerhütter Region fuhr bis in die 70er Jahre in Bittkau.

Von Birgit Schulze 07.06.2020, 06:00

Bittkau l „Es waren immer so 20 bis 25 Leute, die täglich von Bittkau aus zur Arbeit auf die andere Elbseite mussten“, erzählt Hans-Werner Vogt. Sein Vater Werner hatte nach dem Zweiten Weltkrieg mit Stiefvater Otto Peters zusammen eine erste Gierseilfähre gebaut, ab den 50er Jahren gab es dann eine Motorfähre. Auch die wurde in Bittkau gebaut – von Schlosser August und Lehrling Udo Kaul. Werner Vogt war der letzte Fährmann von Bittkau.

Wer auf der anderen Elbseite Arbeit hatte, der war im Stahlbau Parey, im Betonwerk Güsen, der Schiffswerft Bolle oder dem Schiffskontor Parey beschäftigt. Aber auch Arbeiter vom Wasserbau Berlin, die vom Bahnhof Parey kamen, setzten dort über.

Schon immer war die Elbe eine Grenze, die es zum Handeln, auf Arbeitssuche oder für Kontakte mit Menschen benachbarter Regionen zu überwinden galt. Berichte über Fährleute in der heutigen südlichen Altmark gibt es auch aus vorangegangenen Jahrhunderten.

Während die Griebener Elbfähre im Zweiten Weltkrieg versenkt worden war und erst 1998 eine neue gebaut wurde, gab es in Rogätz, Kehnert, Sandfurth, Bittkau und Buch auch nach dem Krieg noch Fährverbindungen, bis sie nach und nach verschwanden. Die andere Seite war auch deshalb interessant, weil in der Nachkriegszeit noch in Westberlin eingekauft werden konnte, die Versorgungslage im Ostelbischen oft besser war oder weil ganz einfach Wiesen und Weiden auf der anderen Elbseite bewirtschaftet wurden. Eine der letzten Elbfähren war die in Bittkau, die bis in die 70er Jahre noch fuhr.

Sein Vater sei von Haus aus Schiffer gewesen und hatte auch die Berechtigung, Leute zu befördern, erzählt Hans-Werner Vogt. Er selbst durfte manchmal die Fähre steuern, obwohl er gar kein Fährpatent hatte. Seine Tochter Doreen, Enkeltochter des letzten Bittkauer Fährmanns, erinnert sich auch, als Kind mit der Fähre gefahren zu sein.

Sonntagsausflügler unternahmen gerne eine Tour auf die andere Elbseite – im Winter auch, um an der Pareyer Schleuse einen Grog zu trinken. Dabei gab es in Bittkau selbst auch fünf Gaststätten. Eine davon – die frühere Gastwirtschaft Zimper – ist heute das Zuhause von Familie Vogt.

Zu Zeiten des letzten Fährmanns in Bittkau wohnten die Vogts aber noch in der Deichstraße. Gleich um die Ecke ging es von der Poststraße aus zur Elbe hinunter – dort legte der letzte Bittkauer Fährmann nur bei Hochwasser manchmal ab.

Der Fähranleger selbst war am Ende der heutigen Fährstraße und je nach Wasserstand der Elbe hätten die Leute schon an der Buhne aussteigen müssen und seien mit dem Handwagen durchs seichte Wasser bis zum Fährdamm gezogen worden, erzählt Fährmannstochter Christina Knoblauch. Die erste Fähre, die wie eine Plattform mit Häuschen aussah, sei auf alten Pontons gebaut worden, der Ein- und Ausstieg erfolgte über einen sogenannten „Prahm“, ein flaches Boot.

Gefahren wurde täglich, da gab es kaum eine Ausnahme. Nur wenn der Nebel zu stark war, wurde es schwierig. Sogar im Winter sorgte der Fährmann für seine Fährgäste: „Wenn die Elbe richtig zugefroren war, dann hat Vater kleine Löcher ins Eis gebohrt und mit Weidenruten eine Schneise markiert, über die man sicher gehen konnte“, erinnert sie sich. Sogar ihr eigenes Kind habe sie einmal mit den Schwiegereltern von der anderen Elbseite über diese Eisbahn geschickt. Wenn es richtig dick kam mit dem Eis, sei die Fähre in den Tangermünder Hafen gebracht worden, erzählt Christina Knoblauch weiter.

Und noch eine andere Aufgabe hatte der Fährmann in Bittkau früher: Immer wenn die großen Schaufelraddampfer auf der Strecke Hamburg-Dresden die Elbe hochfuhren, hatten sie Schleppkähne angehängt. Und weil dort oft auch Schiffer aus Bittkau als Besatzung unterwegs waren, war es üblich, dass die Frauen ihren Männern ganze Kiepen voll mit Lebensmitteln und anderen Dingen an Bord brachten und natürlich auch die Männer besuchten.

Also steuerte das Fährboot die großen Schleppkähne an, setzte die Frauen ab und sammelte sie einige Elbkilometer weiter wieder ein. „Die Schaufelraddampfer haben ja nicht gestoppt“, sagt Hans-Werner Vogt. Manchmal hätten die Schiffer ihre Frauen auch gar nicht sehen wollen, weil sie eine Freundin mit an Bord hatten, erzählt er lachend.

Am Himmelfahrtstag 1958 wurde die neue Motorfähre der Vogts in Betrieb genommen, auch daran erinnert sich Hans-Werner Vogt bis heute. Natürlich ging es damals in die Gastwirtschaft auf der anderen Elbseite. Sein Vater und zuletzt vor allem Mutter Meta haben die Bittkauer Fähre bis in die 60er regulär bewirtschaftet. In den 70er Jahren, als die Einnahmen nicht mehr reichten und Werner Vogt selbst Arbeit auf der anderen Elbseite hatte, nahm er aber noch regelmäßig Arbeitskollegen mit über den Fluss. Die letzte Elbfähre zwischen Tangermünde und Rogätz ist später verschrottet worden. Geblieben sind nur noch Fotos und Erinnerungen in der Dorfchronik und im Privatbesitz der Familie.