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Apotheker klagte Urteil zugunsten von DocMorris

Das Stendaler Landgericht entschied am Ende eines Prozesses am 14.März im Wesentlichen für die Versandapotheke DocMorris.

Von Wolfgang Biermann 15.03.2019, 00:00

Stendal/Tangerhütte l Die niederländische Internetapotheke DocMorris darf ihren in privaten Krankenkassen versicherten deutschen Kunden weiterhin Rabatte und Boni auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren. Das urteilte das Landgericht in Stendal gestern in einem als Richtung weisend angesehenen Zivilprozess. Damit blieb im Kampf von David gegen Goliath um angeblich wettbewerbswidrige Praktiken die ganz große Überraschung aus.

Immerhin haben die Richter der Unterlassungsklage eines Apothekers aus Tangerhütte aber großteils stattgegeben und DocMorris in zwei von drei Punkten verurteilt. Nach dem Urteil der Handelskammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsidentin Haide Sonnenberg darf das laut Wikipedia zur Schweizer Rose Group gehörende Unternehmen aus Heerlen privat versicherten Kunden hierzulande keine unterschiedlichen Quittungen für die teils gratis erfolgte Belieferung mit rezeptpflichtigen Medikamenten mehr beilegen.

Michael Nagler, Inhaber der Adler-Apotheke Tangerhütte, hatte in Leipzig zwei Testkäufer via Internetbestellung Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Ibuprofen 600 sowie ein Antibiotikum) bei DocMorris einreichen lassen. Die Testkäufer hatten jeweils einen „Willkommensrabatt“ von zehn Euro und noch einen weiteren Rabatt von 2,50 Euro erhalten, so dass sie am Ende nach Verrechnung der Boni keine Zuzahlung mehr zu leisten hatten. Auf dem von DocMorris beigefügten Beleg „Für die Krankenkasse“ waren hingegen die gewährten Boni nicht aufgeführt. Demnach hätten die Testkäufer 12,32 Euro gezahlt. Im zweiten Beleg waren die Boni aufgeführt.

Diese Verfahrensweise hatte Apotheker Nagler als Anstiftung/Beihilfe zum Betrug angeprangert, da Krankenkassen nur tatsächlich geleistete Aufwendungen erstatten dürften. Das sah das Landgericht ebenso, auch wenn die Testkäufer die eigentlichen Betrüger gewesen wären, sofern sie den Beleg „Für die Krankenkasse“ zur Erstattung eingereicht hätten. Anstiftung zum versuchten Betrug sei aber nicht strafbar, hatte das Landgericht indes schon beim Prozessauftakt am 21. Februar festgestellt.

Im zweiten Punkt wurde DocMorris vom Landgericht dazu verurteilt, es zu unterlassen, ohne Zustimmung seiner Kunden deren Daten zu erfassen und zu verarbeiten. Das war im Fall der Testkäufer aber geschehen. Auf mitgesandten Unterlagen des einen befanden sich jeweils die Daten des anderen Kunden. Das wertete das Landgericht als Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz.

Hält sich DocMorris nicht an das Urteil, sind Bußgelder von bis zu 250.000 Euro oder gar Haft bis zu zwei Jahre möglich, verkündete das Landgericht gestern. In einem wesentlichen Punkt unterlag der Apotheker indes mit seiner Klage. Das hatte sich aber auch schon im Februar abgezeichnet. Michael Nagler wollte, dass das Landgericht DocMorris generell untersagt, Mitgliedern privater Krankenkassen Boni und Rabatte auf rezeptpflichtige Arzneimittel zu gewähren. Das Landgericht sieht die Boni-Gewährung jedoch im Rahmen der „Warenverkehrsfreiheit“ als „europarechtskonform“ an.

In Bezug auf gesetzlich Versicherte habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon in einem am 19. Oktober 2016 ergangenen Urteil ausländischen Versandapotheken die Bonus-Gewährung an deutsche Kunden gestattet, um Anbieter aus dem EU-Ausland nicht zu benachteiligen und ihnen den Zugang zum deutschen Markt zu ermöglichen, erläuterte Gerichtssprecher Michael Steenbuck im Nachgang zum Prozess. Für ihn hat das Urteil bundesweiten „Pilotcharakter“. Wobei mit dem Urteil wohl kein Schluss in dem Rechtsstreit zu erwarten ist. Er sei sich „fast sicher, dass die Parteien bis zum OLG und weiter“ gehen werden, so der Gerichtssprecher

Einen Monat nach Zugang des schriftlichen Urteils, bei dessen Verkündung gestern übrigens keiner der Parteien zugegen war, haben die Beteiligten Zeit, Rechtsmittel einzulegen. Apotheker Nagler hatte der Volksstimme beim Prozessauftakt gesagt, dass er aus Sorge um seine berufliche Existenz und die seiner Mitarbeiter sowie stellvertretend für alle Standort-Apotheken gegen DocMorris klage. In diesem Zusammenhang habe er auch eine Petition an den Bundestag für ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel – das sogenannte RX-Verbot – mit vielen anderen deutschen Apothekern gezeichnet.