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Azubis Mehr Lehrstellen als Bewerber

Die Zahl der Bewerber für Ausbildungsplätze ist bisher rückläufig, während die Nachfrage ungemindert hoch ist.

Von David Boos 23.06.2020, 19:00

Stendal l Am Dienstagmorgen haben in Stendal zehn Azubis der Johanniter ihre Ausbildungsverträge erhalten, um sich ab September zu Rettungssanitätern ausbilden zu lassen. Damit gehören sie zu den ersten ihres Jahrganges, die solche Gewissheit haben, denn vielerorts müssen die zukünftigen Azubis noch abwarten. Der Grund dafür ist aber nicht mangelndes Interesse von Unternehmen, sondern liegt im Umfeld der Bewerber selbst.

Seit Beginn des Berichtsjahres am 1. Oktober 2019 wurden der Agentur für Arbeit Stendal insgesamt 1.132 Berufsausbildungsstellen gemeldet. „Das ist ein Plus von 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als es 1.049 Stellen waren“, so Carolin Piehl, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Stendal. „Gleichzeitig ist die Zahl der bisher gemeldeten Bewerber bis Mai 2020, verglichen mit dem Vorjahresmonat, um 94 Bewerber auf 789 gesunken“, was einen Rückgang von 10,6 Prozent bedeutet. Carolin Piehl räumt aber ein, dass „das Berufsberatungsjahr erst im September enden wird“. Auf jeden Bewerber kommen daher rein rechnerisch 1,43 Ausbildungsstellen.

Während sich also bei der Nachfragesituation am Ausbildungsmarkt gegenüber den Vorjahren eine leichte Steigerung wahrnehmen lässt, ist der Rückgang der Zahl von Bewerbern mittlerweile deutlich spürbar. Piehl: „Unternehmen wissen, dass sie auch nach der Krise gute Fachkräfte brauchen, deswegen wollen sie weiter ausbilden.“ Im Gegensatz dazu ist das Bewerbungsverhalten der Jugendlichen allerdings „sehr zurückhaltend“. Caroline Piehl gibt jedoch zu bedenken, dass Schulabgänger oft die von den Arbeitgebern geforderten Voraussetzungen nicht erfüllen.

Auch Stefan Prax, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Altmark, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Viele Betriebe haben Schwierigkeiten, Azubis zu finden“, so Prax, denn: „Keiner will mehr Handwerker werden.“ Diese Situation werde dadurch verschärft, dass es in den Berufsschulen eine gewisse Mindestgröße der Klasse geben muss um eine Klasse zu gründen. „Sonst wird die Klasse an die nächste Berufsschule in einer größeren Stadt weitergegeben“, berichtet Prax. „Das ist vor allem am Land sehr schwierig“, gibt der 30-jährige Geschäftsführer zu bedenken.

Die Situation für Berufe mit Nachwuchssorgen, wie zum Beispiel Bäcker oder Fleischer, ist unverändert schwierig. „Wenn nicht gerade der Sohn oder die Tochter übernimmt“, so Prax, „ist es sehr schwierig gute Auszubildende zu finden.“

Aber auch in den Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, der Produktion und Fertigung sowie im Verkauf besteht ein Mangel an Auszubildenden. Mehr Bewerber als angebotene Ausbildungsplätze sind hingegen für die Büro- und Verwaltungsberufe, die Kfz-Berufe und schulische Ausbildungen, zum Beispiel im Bereich der Erziehung, zu finden.

Corona hat die Situation bisher offenbar kaum beeinflusst. „Einerseits ist die Nachfrage ungebrochen“, berichtet Carolin Piehl, „und andererseits melden sich täglich Jugendliche in der Berufsberatung für eine Ausbildung an“. Die Jugendlichen haben ihren Worten zufolge trotz der Krise grundsätzlich gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Nur wenige Betriebe seien zurückhaltend bei der Meldung ihrer Ausbildungsstellen. Konkrete Rücknahmen der Ausbildungszusage aufgrund der Corona-Krise sind der Agentur für Arbeit Stendal bisher nicht bekannt. Nur der verzögerte Schuljahres-Abschluss durch die Corona-Pause könnte für die Zurückhaltung der Bewerber mitverantwortlich sein.