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Behörden-Wirrwarr Kaputte Mülltonne erhitzt Gemüter

Ein Mann aus Miltern hat seit Monaten keine Gelbe Tonne mehr. Der Fall brachte es bis in den Stendaler Kreistag.

Von Bernd-Volker Brahms 28.03.2019, 00:01

Stendal/Miltern l Ein 65-jähriger Rentner aus Miltern versteht die Welt nicht mehr. Der Ärger um seine gelbe Mülltonne begann nach seinen Angaben im November 2018. Da habe er eines Morgens festgestellt, dass die Tonne am oberen Rand kaputt gewesen sei. „Das können nur Ratten gewesen sein“, ist der Mann überzeugt.

Jetzt, vier Monate später, hat der Milteraner nicht nur keine Tonne mehr, sondern diversen anderen Ärger. Das Entsorgungsunternehmen Recyclinghof Farsleben habe die Tonne kommentarlos mitgenommen. Telefonisch wurde ihm mitgeteilt, er solle 75 Euro für eine neue Tonne bezahlen, sagt er. Darüber hinaus hat der Rentner auch noch den Landkreis am Hals, der ihm, was den Rattenfraß betrifft, nicht glauben möchte, gleichwohl aber das Gesundheitsamt eingeschaltet hat. Letzteres möchte, dass er auf seine Kosten durch eine Fachfirma feststellen lässt, ob bei seinem Grundstück „ein Befall an Schadnagern“ vorliegt.

Selbst im Kreistag ist der Fall des 65-jährigen Mannes und der seiner 52-jährigen Nachbarin mittlerweile angekommen, an deren Tonne ist ein ähnliches Schadensbild vorhanden gewesen. Die Nachbarin hat mittlerweile – nach mehreren Mahnungen – die geforderten 75 Euro bezahlt und kann nun ihre alte Tonne weiter nutzen. Sie ist mit den Nerven am Ende.

Auf die Frage der Fraktionsvorsitzenden Helga Paschke (Linke) in der vergangenen Woche im Kreistag, wie man denn im Landkreis mit Bürgern umgehe, packte der 1. Beigeordnete des Landrates, Denis Gruber (SPD), zwei A-4-Fotos aus und machte vom Rednerpult aus den Kreistagsmitgliedern öffentlich klar, dass es sich bei den schadhaften Tonnen aus Miltern keinesfalls um Schäden von Ratten handeln könne. „Nach Aussagen von Fachleuten handelt es sich eindeutig um Spuren einer Flex“, sagte Gruber. Unabhängig davon habe man das Gesundheitsamt eingeschaltet, um zu klären, ob es auf dem Grundstück einen Rattenbefall gebe. Zudem seien Mitarbeiter der ALS nach Miltern geschickt worden, um die vom Landkreis bereitgestellten Tonnen (Papier, Restmüll, Bio) auf etwaige Schäden zu prüfen. Eine Kontrolle der Tonnen sei ihnen jedoch untersagt worden.

Bei den Fotos handelte es sich um die Bilder, die der Milteraner an den Landkreis geschickt hatte, nachdem er beim Entsorgungsunternehmen nicht weitergekommen war, sagt er. Nun wurde sein Fall im Kreistag öffentlich thematisiert und die Fotos in die Runde gezeigt.

Bereits im Februar hatte eine Mitarbeiterin aus dem Umweltamt dem Mann aus Miltern geschrieben, dass seine Tonne und die der Nachbarin „bewusst beschädigt“ worden seien. Es gebe keine nachweislichen Bissspuren von Tieren. Auch sei „ein Grund des Annagens nicht vorhanden“, da in die Gelben Tonnen lediglich restentleerte Leichtverpackungen gehören und diese keine Nahrungsgrundlage für Tiere darstellen. Außerdem seien die Tiere „nicht in der körperlichen Lage“, die Deckel anzuheben, um „genau an der Kante entlang den Behälter anzunagen“.

In einem weiteren Schreiben wird dem Mann mitgeteilt, dass der Landkreis eigentlich sowieso nicht zuständig ist. Er solle sich an den Entsorger oder besser gleich den Systembetreiber, die Landbell AG in Mainz, wenden. Er könne bis zum Erhalt der neuen Tonne seinen Verpackungsmüll kostenfrei zu den Annahmestellen des Landkreises bringen.

„Wir haben die Tonne auf Wunsch des Mannes eingezogen“, sagt Norman Mattke von der Firma Recyclinghof Farsleben. Gegen 75 Euro könne er ein neue Tonne bekommen. Es sei unmöglich, dass eine Ratte den Schaden an der Tonne verursacht habe, sagt er. Der betroffene Bürger spricht dagegen von „Beweismittelvernichtung“.

Nach Angaben des Landkreises habe sich das Umweltamt „zu keinem Zeitpunkt der Sache angenommen“, teilt der Landkreis auf Volksstimme-Anfrage mit. Tonnenbeschädigungen seien eine zivilrechtliche Angelegenheit. Man habe den Bürger „an die entsprechenden Stellen“ verwiesen. Da dieser zudem seiner Pflicht zu einer Anzeige von Schädlingsbefall ans Gesundheitsamt nicht nachgekommen sei, habe das Umweltamt dies getan.

Zumindest hatte sich der Landkreis der Sache soweit angenommen, dass er – auf Grundlage der Fotos des Bürgers – von einer mutwilligen Zerstörung der Tonnen sprach. Der Beigeordnete Denis Gruber unterstrich diese Stoßrichtung im Kreistag.

Der Rentner aus Miltern hat mittlerweile einen Rechtsanwalt eingeschaltet.