1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Zwischen Sorge und Zuversicht

Buchhandel Zwischen Sorge und Zuversicht

Buchläden haben trotz Corona auf - aber wird auch eingekauft? Wie die Stendlaer Buchhändlerinnen die Krise meistern.

Von Nora Knappe 26.03.2020, 10:00

Stendal l Alle wissen, wie dramatisch die Lage für Einzelhändler ist. Aber ihre Kundschaft möchte Susanne Malzahn das eigentlich nicht spüren lassen. Und so sammelt sie jeden Tag, bevor sie die Buchhandlung Genz öffnet, aufs Neue Kraft, um den Kunden wie gewohnt freundlich, herzlich und zugewandt zu begegnen, sie zu beraten, ihnen Bücher zu empfehlen. „Jedes verkaufte Heftchen, jedes Buch zählt“, sagt sie. Wer nicht in den Laden kommen möchte, kann telefonisch oder online bestellen. Die Großhändler liefern nach wie vor.

Die Existenzangst ist omnipräsent, drückend, bereitet schlaflose Nächte. Auch wenn die Ladeninhaberin es ungern zu erkennen gibt – sie fühlt sich am Ende ihrer Kräfte. Und blickt dabei noch sorgenvoll zu all den anderen Geschäften in der Breiten Straße, die wegen Corona schließen mussten. Ob sie je wieder öffnen...? „Es kommen einem die Tränen, wenn man das sieht.“ Aus Solidarität mit der benachbarten Gastronomie verteilen die Buchhändlerinnen sogar deren Flyer für Essenslieferdienste und -mitnahmemöglichkeit.

Zurzeit halten Susanne Malzahn und ihre Kollegin Birgit Klitsch den Buchladen am Laufen. „Wir wollen einfach für die Kunden da sein.“ Vor der Kassentheke steht ein roter Tisch als Abstandssignal. „Die Kunden sind aber alle sehr diszipliniert und halten sowieso Abstand“, sagt Susanne Malzahn. Und während wir beide so auf Distanz miteinander sprechen – sie im Laden unterm Türsturz, ich etwas weiter draußen –, nähert sich vorsichtig eine Frau und fragt: „Ist das hier das Ende der Schlange?“ Man möchte solchen Menschen derzeit dankend auf die Schulter klopfen – denn nicht jeder hat die neuen Verhaltensregeln verinnerlicht.

Die Zuversicht, die Susanne Malzahn und Birgit Klitsch ihren Kunden vermitteln möchten, bekommen sie teils durch deren, ja, man kann wohl sagen Anteilnahme zurück. „Manche rufen an und fragen, ob wir da sind“, freut sich die Chefin. Und findet es rührend, wenn mancher jetzt extra große Einkäufe tätigt.

„Da haben Sie ja das Richtige gehamstert“, meint ein paar Hausnummern weiter Annette Mäcker zur Volksstimme-Reporterin, als die die Frage, ob sie neuen Lesestoff brauche, verneint und auf den ausreichenden Ungelesen-Stapel zu Hause verweist. Humor ist selten in diesen Tagen, und zum Lachen ist der Inhaberin der Winckelmann-Buchhandlung ebenso selten zumute. Dennoch ist auch sie nach wie vor jeden Tag da, teilt sich die Arbeit mit ihrer Kollegin Kathrin Thieß. Auf lange Sicht planen sie aber nicht. Wie bei Genz wird hier derzeit nur „von Tag zu Tag“ weitergemacht und ist man gefasst auf neuerliche Verschärfungen. „Schlaflose Nächte und Geldsorgen“ bestimmen jetzt das Leben.

Regeln zur Personenbegrenzung braucht Annette Mäcker nicht zu plakatieren, es kommen eh viel weniger als sonst. „Der Umsatz ist um die Hälfte geringer als sonst. Ich hoffe natürlich auf die Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung und bin grad nur am Schreiben und Beantragen.“ Aber auch bei ihr kann man telefonisch oder per Mail bestellen: „Ich liefere sogar selbst aus, mein Lebensgefährte hilft mir.“

Viele Kunden bekräftigten ihre Treue zur Buchhandlung, was sogar zu solch schönen Begebenheiten wie dieser führt: „Neulich war ein Herr hier, meinte, er brauche dieses Buch eigentlich gar nicht, kaufe es aber trotzdem.“

Was in diesen Tagen besonders gern gekauft wird, sind Kinderbeschäftigungs- und Bilderbücher, auch Naturbücher. Eine interessante Beobachtung hat Annette Mäcker noch gemacht: „Puzzle sind fast nicht mehr zu haben.“ Was sonst kaum jemand will, wird plötzlich attraktiv.

In der Alpha-Buchhandlung im Schadewachten verkünden gleich mehrere Schriftzüge ein plakatives „Geöffnet!“ Hier ist man doppelt gebeutelt: erst die Baustelle, nun noch Corona dazu. „Könnt‘ besser gehen“, sagt denn auch Christine Kumpmann zur Eröffnung unseres Gesprächs. Die Verzweiflung ist ihr unweigerlich ins Gesicht geschrieben. „Es ist schon ein großer Einschnitt“, sagt sie, „ich kann verstehen, dass die Leute Angst haben rauszugehen, und es ist ja vernünftig, zu Haus zu bleiben. Aber sie können trotzdem bei uns einkaufen.“ Online, per Mail oder telefonisch bestellen funktioniert auch hier. Am Telefon könnten die Buchhändlerinnen freilich besser beraten und nachfragen, sagt Kumpmann und meint mit „wir“ noch ihre beiden Kolleginnen Antje Soch und Cornelia Mesch­ke.

Beim Einkauf müssten es ja auch nicht unbedingt Bücher sein – mit Blick auf Ostern denkt Christine Kumpmann an Karten, Dekoratives, Figuren... „Mit einem Päckchen kann man jemandem eine kleine Freude machen, wenn man sich schon nicht besuchen kann.“

Für die Gesundheit aller sorgen sie, indem sie gut Abstand halten, Handschuhe tragen und alles regelmäßig desinfizieren: Klinke, Tresen, Einkaufskörbchen...

Solcherlei Maßnahmen sind bei Thalia derzeit nicht nötig: die Stendaler Filiale ist wegen Corona geschlossen. Aber auch hier gilt: online bestellen oder telefonische Anfragen stellen geht nach wie vor.