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Cholera-Pandemie Als die Altmark 1831 im Lockdown war

Was die Corona-Pandemie von heute und die Cholera-Pandemie von 1831 gemeinsam haben.

Von Astrid Mathis 04.01.2021, 00:01

Gladigau l „Ich bekam Ende September/Anfang Oktober eine Reihe alter Bücher und Drucke von einem Kollegen und sollte schauen, ob’s was ist, weil ich ja preußisch interessiert bin“, erzählt Norbert Lazay. Rüdiger Meußling war seinerzeit Pfarrer in Baben und ließ die Schriften nach Gladigau überbringen. Berühmte Persönlichkeiten wie Friedrich Wilhelm Hegel waren an Cholera gestorben, Heine hatte über Paris für die Augsburger Allgemeine Zeitung geschrieben: „Man sah nur noch zwei Dinge: Himmel und Särge.“ Interessiert begann der Pfarrer zu lesen.

Genau wie heute Corona nahm die Cholera 1831 in Asien ihren Anfang. Über Russland und Polen kam die Pandemie dann nach Deutschland und Frankreich. „Mich erinnert vieles von den Maßnahmen heute an die Anordnung vor 190 Jahren“, bemerkt der Vorsitzende des Altmärkischen Heimatbundes, „die Gesundheitskommissionen, die Quarantäne, das Unterbinden der Hamsterei, Beerdigungen in aller Stille, der Umgang mit Geld, das regelmäßige Lüften, der Einsatz des Militärs, die Schließung aller öffentlichen Einrichtungen, die Kontaktbeschränkung und so weiter.“

Die Elbe wurde damals von Dresden bis Hamburg abgesperrt, „damit es im Brandenburgischen bleibt“, weil die Pandemie über die Oder von Polen her gekommen war. Als ein Aussiedlerschiff von St. Petersburg in Hamburg landete, war das Schlimmste nicht zu verhindern: Von plötzlich 16.000 Erkrankten starben 8000. „In der Stadtchronik Werbens ist zu lesen, dass die Pandemie dann doch nach Werben eingeschleppt wurde“, berichtet Norbert Lazay. „Wir hatten 1855, 1866 und 1873 dagegen zu kämpfen.“

Im Gegensatz zu heute wurde die Krankheit damals durch unsauberes Wasser übertragen. Stendal und die Altmark waren schließlich am stärksten betroffen. Die Sperlings-Ida zeugt noch heute davon, merkt er weiter an.

„Wir alle sind mittendrin, auch die Generationen zuvor waren von Pandemien betroffen. Und die Übertragung der Krankheit ist nicht nur auf Reiserei zurückzuführen, denn früher wurde ja noch gar nicht so viel gereist“, bemerkt der geschichtsinteressierte Pfarrer. „Die asiatische Cholera ist über die Oder ausgebrochen und zu uns gekommen, und erst als der Erreger gefunden wurde, war ein Ende in Sicht.“

Zur geschichtlichen Einordnung erklärt Norbert Lazay: Friedrich Wilhelm III. regierte 1831 in Deutschland. Zur königlichen Regierung zu Magdeburg zählte auch die Provinz Sachsen und zu dieser war seit 1815 die Altmark als Provinz gehörig. Die behördliche Anordnung wurde an Regierungspräsidien bis zum Bürgermeister weitergegeben, um der Cholera zu begegnen. „Nur im Unterschied zu heute gab es früher keinen Gegenwind durch ,Querdenker‘. Es wurde gemacht, was vom König erlassen wurde“, so Lazay.

„Wenn man das liest, sieht man doch, dass sich nach 190 Jahren sehr viel ähnelt. Ich finde es spannend, dass der Umgang mit der Pandemie vergleichbar ist“, stellt der Vorsitzende des Altmärkischen Heimatbundes fest und fügt abschließend hinzu: „Erst 40 Tage, nachdem der letzte Erkrankte geheilt war, wurden die Sperrungen wieder aufgehoben. Das nenne ich konsequent.“