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Migration Corona erschwert Integration - Die inlingua Sprachschule in Stendal arbeitet mit einer digitalen Lösung

Die anhaltende Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen erschweren für Deutsch-Lernende die Integration in Stendal. Wie lernen sie nun in der inlingua Sprachschule Deutsch und, was wünschen sie sich, wenn die Normalität zurückkehrt?

Von Leonie Dreier Aktualisiert: 20.4.2021, 13:44
Mechthild Bleuel, Inhaberin der inlingua Sprachschule in Stendal, kennt alle Kursteilnehmer. Die Migranten lernen berufsbezogenes Deutsch, um hier einen Job zu finden. Wegen Corona findet der Kurs per Video-Konferenz statt. Foto: 
Mechthild Bleuel, Inhaberin der inlingua Sprachschule in Stendal, kennt alle Kursteilnehmer. Die Migranten lernen berufsbezogenes Deutsch, um hier einen Job zu finden. Wegen Corona findet der Kurs per Video-Konferenz statt. Foto:  Leonie Dreier

Stendal. Jeden Tag für vier Stunden besuchen sieben Migranten den digitalen Deutsch-Kurs in der inlingua Sprachschule in der Hallstraße in Stendal. Der Kurs sei Voraussetzung, um in Deutschland arbeiten zu können, erklärt Mechthild Bleuel, Geschäftsführerin und Inhaberin. Die Lernwilligen haben zuvor alle einen Integrationskurs besucht und schon gute Deutsch-Kenntnisse.

Doch wegen der Corona-Pandemie und ihren Einschränkungen findet das Sprachenlernen für die rund 150 Lernenden digital per Video-Konferenz und nicht vor Ort statt. Das erschwert nicht nur das Lernen einer neuen Sprache, sondern schränkt auch die Integration in die Gesellschaft ein. Die Volksstimme sprach mit einigen Migranten, die berufsbezogenes Deutsch lernen, über ihre Situation in Stendal während der Pandemie.

Kusay Alawa aus Syrien ist einer der sieben Teilnehmer. Der 22-Jährige lebt seit fast sechs Jahren in Stendal. „Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben“, stellt er fest. Nachdem er aus privaten Gründen seine Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker abbrach, fing er bei inlingua an, Deutsch zu lernen.

Kursteilnehmer verlieren digital keine Lernzeit

„Ich lerne besser, wenn ich in der Schule bin und mit den Leuten sprechen kann“, antwortet der Mann auf die Frage, ob er lieber vor Ort oder digital Deutsch lernt. Wenn er zu Hause Probleme mit seiner Internetverbindung hat, könne der Syrer nicht am Kurs teilnehmen, fügt er als negativen Aspekt des digitalen Lernens hinzu. Positiv sieht er an der Situation, dass er sowie seine Mitstreiter keine unnötige Zeit beim Deutsch-Lernen verlieren würden. „Wir sitzen nicht nur rum.“

Trotz der digitalen Möglichkeiten vermisst der 22-Jährige das Treffen mit Freunden. Dieser Umstand erschwere für ihn aber nicht die Integration, weil er in der Vergangenheit schon Freunde in Stendal gefunden habe.

Anders ergeht es dem 40-jährigen Memet Ekici aus der Türkei. Seit zweieinhalb Jahren lebt er in Deutschland. Der Familienvater sieht Corona und seine Arbeitslosigkeit als Grund dafür, dass er noch wenig Freunde aus Deutschland habe. Das werde sich ändern, wenn er einen Job als Elektroingenieur finde, hofft Memet. Selbst wenn er später beispielsweise in Berlin arbeiten könne, möchte er mit seiner Familie in Stendal bleiben. „Ich fühle mich hier wohl“, sagt der Vater von zwei Töchtern und plant, in ein Haus innerhalb der Stadt umzuziehen.

Auch die 37-jährige Ärztin aus Griechenland, Inga Gharidou, macht Corona für ihre fehlenden Kontakte in der Hansestadt verantwortlich. Seit zwei Jahren lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in Stendal. Sie möchte Deutsch lieber persönlich bei inlingua lernen und so „mal wieder rauskommen“, betont die Mutter. Durch die Kontakteinschränkungen sei es für sie schwierig, das Gelernte im Alltag anzuwenden und so mit anderen Bürgern Kontakt aufzubauen. Vor der Pandemie hatte sie Kontakt zu den Eltern aus den Klassen ihrer Kinder. Durch die Schulschließungen habe sie dies nicht vertiefen können.

Job als Voraussetzung, um Kontakte zu knüpfen

Die Drei hoffen, dass sich nach der Pandemie ihr Deutsch-Lernen auszahlt, sodass sie einen Job finden und weitere Kontakte zu Einheimischen knüpfen können. Doch wie läuft eine digitale Deutschstunde ab, wenn der Austausch von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist?

„Hauptsächlich lernen wir durch Gespräche“, erklärt Danijela Popovic. Sie ist die Leiterin des Deutsch-Kurses. Aktuell spricht die Runde über das Thema Telefonieren. „Die Themen sind immer berufsbezogen“, fügt die Lehrerin hinzu. Bei den Gesprächen lernen die Migranten die entsprechenden Vokabeln und Grammatik. Anschließend lesen sie einen Text oder bearbeiten Aufgaben.

Wenn der Kurs in der Schule wäre, würde Danijela Popovic mit Rollenspielen und Gruppenarbeiten den Unterricht auflockern und praxisnaher gestalten. Mechthild Bleuel fügt noch hinzu, dass die Sprachschule unter normalen Bedingungen Berufserkundungstage und Betriebsbesichtigungen anbiete. Beide Angebote bringen die Lernenden mit den Unternehmen in Kontakt, sodass sich für die Migranten, die Chance einen Job zu ergattern, erhöht.

Bereitschaft für digitales Lernen groß

Trotz der Einschränkungen ist die Inhaberin froh, dass der digitale Unterricht bei den meisten Kursen inzwischen gut funktioniert. Im ersten Lockdown, im vergangenen März, seien die Migranten und Lehrer ziemlich ins kalte Wasser geworfen worden, schildert die 43-Jährige. Danijela Popovic musste sich zu Beginn erstmal das Lehren im Digitalen aneignen. Doch je länger der Unterricht per Video-Konferenz andauerte, umso größer sei die Bereitschaft, sagt Mechthild Bleuel.

Die Geschäftsführerin bestätigt hingegen auch, dass sie viele Sprachschüler nach dem ersten Lockdown verloren habe, weil sie beispielsweise einen Hilfsjob bekommen hätten und das digitale Lernen für sie sehr schwierig sei. Das sei jedoch nur eine Minderheit.