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Corona Stendaler Arzt kritisiert Impfstrategie

Der Stendaler Arzt Dr. Herbert Wollmann hält die Corona-Impfstrategie der Bundesregierung für änderungsbedürftig.

27.12.2020, 23:01

Stendal (dly) l Am Sonnabend wurde mit den Impfungen in Sachsen-Anhalt begonnen, im Landkreis Stendal soll es heute mit dem Einsatz des mobilen Impfteams losgehen. Dr. Herbert Wollmann, Internist und Kardiologe in Stendal, hält die derzeitige Impfstrategie indessen für „überholt und änderungsbedürftig“. Das hat er per E-Mail dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und dem Virologen Prof. Christian Drosten mitgeteilt. Auch Prof. Robert Wieler, Präsident des Robert-Koch-Institutes, soll Post von ihm bekommen.

Wollmann schreibt: „Aus meiner praktischen Arbeit ist ersichtlich, dass die Altenheime derzeit von einer Corona-Welle heimgesucht werden, jedenfalls ist das in Stendal so. Es wird zwar getestet. Aber im Grunde werden nur noch klinisch zu vermutende Diagnosen bestätigt. Eine Schutzfunktion geht von diesen Testungen praktisch nicht mehr aus, da das Virus nicht mehr vor der Tür steht, sondern den Eingang schon längst gefunden hat.“

Das bedeute, „dass mit Beginn der Impfkampagne ein großer Teil der Altenheimbewohner schon verstorben sein wird, ein weiterer Teil sich gerade erst in der Inkubation befindet und nicht profitiert (vielleicht sogar Schaden erleidet, denn diese Patientengruppen dürften in die Zulassungsstudien nicht eingegangen sein), ein weiterer Teil nicht genug Antikörper bilden wird und last but not least von einigen Angehörigen/Betreuer*innen die Erlaubnis zur Impfung nicht erteilt wird. Summa summarum sehe ich daher den Erfolg der Impfkampagne mit primärer Impfung in den Altenheimen mit Skepsis.“ Sein Schreiben solle nicht so verstanden werden, „dass ich eine Impfaktion in den Heimen zurückstellen möchte. Das gewiss nicht, aber die Gewichtung muss insgesamt geändert werden“.

Einen weiteren Hotspot für Infektionen sieht er in Krankenhäusern „Auch wenn die wirklichen Zahlen nicht offen gelegt werden, die Insider wissen, wie es wirklich aussieht. Dort ist die Ansteckung unter den Patienten und dem Personal nicht mehr überschaubar. Dies wird auch bald in den ambulanten Bereich und den Rettungsdienst übergreifen, da mittlerweile schon nicht auskurierte, noch infektiöse Patienten aus den Krankenhäusern entlassen werden.“

Aus seiner Sicht sei es „dringlich, die Impfstrategie grundlegend zu ändern. Es müssen sofort alle medizinischen Berufe, die in irgendeiner Weise mit Covid-Erkrankten oder Verdachtsfällen zu tun haben, von der Reinigungskraft bis zur Chefetage, geimpft werden“, fordert er in seinem Schreiben. An zweiter Stelle oder „besser gleichzeitig“ sollen alle „systemrelevanten“ Berufstätigen, insbesondere Kita-Angestellte und die Lehrerschaft, geimpft werden. „Wenn wir das nicht auf den Weg bringen, werden uns das Gesundheitswesen und das Bildungswesen zusammenbrechen“, so Wollmann.