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Ortsbürgermeisterin und Chronisten übergeben Zeugnisse der dörflichen Vergangenheit Dahlens "Dorfgedächtnis" im Stadtarchiv

Von Reinhard Opitz 31.05.2012, 03:23

Bis ins Jahr 1692 reichen die alten Kladden zurück: Ein gewichtiger Teil des "Dorfgedächtnisses" von Dahlen, Gohre und Dahrenstedt ist gestern ins Stadtarchiv der Hansestadt Stendal überführt worden.

Stendal l "Unsere Geschichte ist uns wichtig, auch denen, die neu zu uns gezogen sind. Wir wollen doch nicht zu reinen Schlafdörfern werden." Mit diesen Worten übergab Ortsbürgermeisterin Christel Güldenpfennig gestern mehrere Kartons mit historischen Akten über Dahlen und seine Ortsteile Gohre, Dahrenstedt und Welle an das Stendaler Stadtarchiv. An ihrer Seite: Horst Oelze und Erika Sommer, die einen Großteil der Dokumente selbst aufbewahrt oder zusammengetragen haben.

Die beiden Geschichtslehrer, Geschwister, Sprosse der Dahlener Großbauernfamilie Oelze, verkörpern selbst ein markantes Kapitel Dorfgeschichte. 1953 floh ihre Mutter mit ihnen und zwei weiteren Geschwistern - der Vater war aus dem Krieg nicht heimgekehrt - vor Kollektivierung und drohender Verhaftung wegen "Wirtschaftssabotage" in den Westen. Zunächst nach Westberlin, später nach Nordrhein-Westfalen. Viele alteingesessene Bauern der Gegend taten es ihnen gleich. "Dahlen hatte danach fast keine alten Familien mehr", sagt Erika Sommer. "Da hört das kollektive Gedächtnis auf zu existieren, wenn man nichts dagegen tut."

Das wollten die beiden Geschwister nicht dem Selbstlauf überlassen. Als ihr Neffe nach der Wende in der DDR den angestammten Hof in Dahlen übernahm, die Familie also wieder einen Fuß in der alten Heimat hatte und damit der größte Wunsch ihrer früh verstorbenen Mutter in Erfüllung ging, brachten sie die schriftlichen Zeugen der Vergangenheit wieder zurück an ihren Ursprung. Und nicht nur das: Sie erschlossen weitere Quellen der Historie wie das Kreisarchiv, das Staatsarchiv in Magdeburg oder den Dachboden der inzwischen aufgelösten Dahlener Schule, auf dem zahlreiche Klassenbücher lagerten. Die sich immer dichter fügende Chronologie des dörflichen Lebens in und um Dahlen behalten Horst Oelze und Erika Sommer nicht für sich. Sie nutzen gern Gelegenheiten, sei es bei Dorffesten, vor Senioren oder den Landfrauen, Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen.

"Die interessantesten sind die kleinen Histörchen", schmunzelt Erika Sommer. Etwa die Querelen zwischen Nachbarn. Die Dorfordnung von 1730 legte fest, wieviel man für welches Vergehen zu zahlen hat. Zehn Jahre später kam eine neue Verordnung heraus. Sie untersagte, die Strafgelder gemeinsam zu versaufen. Ältestes Stück der gestern übergebenen Dokumente ist ein Katasterverzeichnung von 1692.