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Demografie Kleinstädte sind die Sorgenkinder

Der demografische Wandel trifft die Altmark hart. Auf einer Konferenz in Stendal wurde nach Auswegen aus der Misere gesucht.

Von Antonius Wollmann 05.11.2019, 00:01

Stendal l Der Befund ist klar. Nur wie man mit den Folgen umgeht, ist alles andere als eindeutig. Die Konsequenzen des Bevölkerungsrückgangs im Landkreis Stendal sind vielschichtiger, als man gemeinhin annehmen möchte. Während beispielsweise die Kreisstadt eine positive Entwicklung genommen hat, leiden vor allem die Kleinstädte und Dörfer.

Die Zahlen lügen nicht. In den vergangenen 30 Jahren ist die Bevölkerung des Landkreises um 30.000 Menschen geschrumpft. Am Rückgang wird sich nicht viel ändern. Treffen die Prognosen ein, werden im Jahre 2030 noch etwa 98 000 Menschen hier leben. Momentan sind es etwa 112.000. Gleichzeitig werden die Menschen älter. Das Durchschnittsalter liegt mit 47,6 Jahren deutlich über dem Bundesdurchschnitt (44,4 Jahre). Im vergangenen Jahr waren 25 Prozent der Einwohner älter als 65 (1990 nur 14 Prozent).

Wo die Bevölkerung zurückgeht, steigt der Leerstand. Bereits heute liegt die Zahl der nicht genutzten Objekte laut Leerstandskataster des Landkreises bei 1440, Tendenz steigend. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. „Das Problem des Leerstandes ist besonders in den Kleinstädten akut, weil in diesem Falle viele baukulturell wertvolle Gebäude in den Innenstädten betroffen sind“, bringt es Dirk Michaelis, Leiter des Bauordnungsamtes des Kreises, auf den Punkt. Das größte Problem dabei: Die leer stehenden Objekte befinden sich meist in Privatbesitz. Die Besitzer weigern sich aber, sanierend tätig zu werden.

Stendal, so scheint es zumindest, hat das Schlimmste bereits überstanden. Die Stadt schrumpft nur noch in einem geringen Maße. Knapp 300 Einwohner gehen pro Jahr verloren. In der Altstadt werden die letzten Baulücken geschlossen. „Wir haben es geschafft, die Innenstadt wieder in einen urbanen Zustand zu versetzen“, nennt Bürgermeister Klaus Schmotz (CDU) den größten Erfolg. Zugleich wurden problematische Stadtviertel attraktiver gestaltet. Die Entwicklung geht so weit, dass die Stendaler Wohnungsbaugesellschaft in Kürze eine Werbekampagne starten wird, um junge Familien aus Berlin von einem Umzug nach Stendal zu überzeugen.

Doch ganz ohne Schmerzen schaffte auch Stendal die Trendwende nicht. Mit dem Plattenbauviertel Süd verschwand fast ein kompletter Stadtteil, im Stadtsee-Gebiet mussten ebenfalls zahlreiche Wohnungen wegen des Leerstandes verschwinden. Zwei Drittel der zwischen 2002 und 2016 bewilligten Fördermittel flossen in den Abriss von Häusern.

Die Seehäuser Altstadt punktet mit dem typischen altmärkischen Flair. Viel Fachwerk, eine imposante Kirche, mithin viel Historie. Und doch kann die alte Bausubstanz zur Last werden. Denn nicht jeder Hauseigentümer sieht sich bemüßigt, sich um sein Haus zu kümmern. Stattdessen wird es nur zu oft dem Verfall preisgegeben. Im Falle der Wischestadt ist das zu ertragende Maß fast überschritten, machte die Wirtschaftsförderin der Verbandsgemeinde, Lisa Weigelt, deutlich. Die Besitzer zu Maßnahmen zu bewegen, sei schwierig. Zu viel Fläche liege brach.

In Bismark, Werben und Havelberg sieht es in dieser Hinsicht nicht viel besser aus. Auch nicht, wenn die Häuser zum Verkauf stehen. Altbauten machen misstrauisch. Interessenten fürchteten sich, die Katze im Sack zu kaufen, bringt es Bürgermeisterin Annegret Schwarz (CDU) auf den Punkt. Im Zweifelsfall entschieden sie sich für einen Neubau auf der Wiese vor der Stadt.

An einem Punkt waren sich fast alle Teilnehmer einig: Man müsste den Gemeinden schärfere Instrumente gegenüber den Besitzern von Leerstands- immobilien geben. „Was wir zurzeit haben, ist zu pomadig“, merkte Klaus Schmotz an. Zu viel Zeit würde verstreichen, bis man die Eigentümer wirklich zum Handeln zwingt. Ein Teilnehmer regte die sogenannte Grundsteuer C für nicht genutzte Immobilien an.

Darüber hinaus könne es ein Mittel sein, der Metropolen überdrüssige Großstädter in die Altmark zu locken. Zum Beispiel mit innovativen Konzepten wie „Co-Working-Spaces“, also Bürogemeinschaften für Menschen in Digital-Berufen. In Wittenberge sei in diesem Jahr ein viel versprechendes Projekt gestartet worden.

Der Landkreis habe sich außerdem darum bemüht, Bundesbehörden vom Standort Stendal zu überzeugen. Bisher aber vergeblich. Außerdem wolle man sich noch aktiver darum bemühen, jene Menschen zur Rückkehr zu bewegen, die weggezogen sind.