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Archivwissen Der Schnee von gestern

Von einem heftigen Wintereinbruch erzählen zwei Fotos im Stendaler Stadtarchiv. Nach einem Hinweis fand sich nun Interessantes.

Von Nora Knappe 08.01.2020, 00:01

Stendal l Mangels aktueller Winterkapriolen in hiesigen Breiten lohnt sich ein Blick zurück, um sich bewusst zu machen, was es heißt, wenn große Schneemengen vom Himmel fallen. Neben dem offenbar allseits noch gegenwärtigen Superwinter 1978/79 gab es ein weiteres Wintergeschehnis, das es in die Berichterstattung und die Erinnerungen schaffte: November 1965.

Zwei Fotos, die dem Stadtarchiv voriges Jahr übergeben worden waren, zeugen von dieser Zeit. Eines zeigt Bahnmitarbeiter beim Kampf gegen die Schneemassen am Stendaler Bahnhof und konnte klar auf das Jahr 1965 datiert werden. Ein weiteres jedoch sorgte zunächst für Rätseln: Es hält offenbar einen zivilen Arbeitseinsatz gegen den mittlerweile zu Matsch mutierten Schnee am Kornmarkt fest. Über die Volksstimme und die Stadt-Homepage bat die Stadtverwaltung um Hinweise zu diesem Foto. Und die gab es auch prompt, wie Armin Fischbach auf Anfrage mitteilte: „Wir hatten hier in der Pressestelle ein paar Meldungen, auch auf Facebook haben sich viele geäußert.“ Letztere verfehlten aber zumeist das Thema.

Als am hilfreichsten erwies sich da erst vor wenigen Tagen der Anruf einer Stendalerin bei Simone Habendorf im Stadtarchiv: „Die Dame erinnerte sich an den heftigen Schneefall am Abend des Totensonntags 1965, also am 21. November. Es hatte sehr stark geschneit, aber schon am nächsten Tag taute es auch schnell wieder, so dass alles zu Matsch wurde. Sie selbst war bei einem Einsatz zum Schneeschippen in der Breiten Straße dabei.“

Anhand dieser Schilderung und auch anhand der auf dem Foto erkennbaren Mode ist sich Simone Habendorf denn auch sicher, dass es sich um die 60er Jahre handeln muss und nicht um den Winter Ende der 70er. Zwar konnte sie keines der beiden Bilder in den Zeitungen jener Zeit finden, dafür aber Berichte am 24. November 1965, die einen sehr bildhaften Eindruck vom Geschehen geben.

So muss es bereits am Sonnabend ordentlich gerieselt, aber „am Sonntagmorgen ab 4 Uhr der Hauptdruck des Schneefalls“ eingesetzt haben, wie in der Liberaldemokratischen Zeitung (LDZ) zu lesen ist. Erst in der Nacht zu Montag ließ der Niederschlag nach.

Neun Schneepflüge der Straßenmeistereien waren laut LDZ und „Altmark-Stimme“ auf den Fernverkehrs- und Landstraßen des Kreises im Einsatz. Dreimal wurde geräumt. In der Stadt blieben in den Nebenstraßen Autos stecken. Und, so schreibt die Altmark-Stimme: „Die Bevölkerung mußte immer wieder den Schneeschieber zur Hand nehmen.“

Schon in der Nacht zu Sonntag seien „zahlreiche Bürger den großen Schneemassen mit Schneeschiebern, Schaufeln und Besen zu Leibe“ gerückt. Eine Sisyphusarbeit, denn „es schneite, schneite, schneite...“ Am Tage dann wurde die Bevölkerung „über Lautsprecherwagen aufgefordert, sich an den Räumarbeiten zu beteiligen“.

Als dringend nötig erwies es sich hernach, die zusammengeschobenen Schneemassen abzutransportieren. Am Sonntagnachmittag „beginnen Brigaden, u.a. vom VEB Stadt- und Gemeindewirtschaft, mit der Räumung der Schneeberge in der Breiten Straße, unterstützt von zwei Dungkränen der LPG. Etwa 50 Arbeitskräfte sind innerhalb der Stadt am Werk.“

Am Ende wird den Stendalern von der LDZ bescheinigt, „daß sie bei dem überraschenden Wintereinbruch sofort richtig reagierten. Sie scheuten keine Mühe, die Straßen und Gehwege bei dem unaufhörlichen Schneefall sauber zu halten, um die angespannte Verkehrssituation so weit wie möglich zu erleichtern.“

Am Bahnhof hingegen war alles etwas schwieriger, wie die Altmark-Stimme schildert. Züge fielen aus oder verspäteten sich, im Güterverkehr gab es Stockungen. „150 Mann, darunter 50 sowjetische Soldaten, Kollegen der einzelnen Reichsbahndienststellen, (...) Genossen der Transportpolizei u.a. versuchen mit aller Gewalt, die Weichenstraßen freizuhalten. Manchmal ist es schier unmöglich, aber immer wieder beginnen sie von vorn.“

Noch in der Nacht wurden Leistungsprämien ausgezahlt und gab es für „die unermüdlichen Helfer warme Getränke und Rauchwaren“.