Amerikalinie Deutsche Bahn verschont Stendaler Kleingärtner bei zweigleisigem Ausbau der Amerikalinie
Kaum eine Ortschaft ist so sehr betroffen vom zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Stendal-Uelzen (Amerikalinie) wie Stendals Ortsteil Wahrburg. Einem Gartenverein drohten drastische Folgen. Nun herrscht Klarheit über den Verlauf des neuen Gleises.

Stendal - Entgegen dem gängigen Klischee ist die Bahn an diesem ungemütlichen Freitagvormittag mal richtig pünktlich. Zumindest der Intercity, der eben noch im Stendaler Hauptbahnhof gehalten hat und in diesem Moment fahrplanmäßig um kurz nach halb Zehn unter der Wahrburger Fußgängerbrücke in Richtung Hannover hinwegzischt. Einen Wimpernschlag später rauscht ein Güterzug an Wahrburg vorbei.
Der Treffpunkt von Ortsbürgermeisterin Carola Radtke (parteilos) auf der Überführung zum benachbarten Stadtteil Stadtsee ist also gut gewählt, weil man merkt, dass man „ihren“ Ortsteil ohne die Bahn nicht denken kann. Gleich drei Trassen nehmen dort ihren Verlauf. Eine führt nach Wittenberge, eine in Richtung Hannover und schließlich die Verbindung nach Uelzen. Dutzende Züge fahren hier jeden Tag vorbei. Und die Auswirkungen des Schienenverkehrs werden in den kommenden Jahren noch viel stärker zu spüren sein.
Ausbau startet im Jahr 2024
Ab dem Jahr 2024 wird nämlich der zweigleisige Ausbau der Strecke Stendal-Uelzen quasi vor der Haustür stattfinden und das zweite Gleis zur Einfahrt in den Hauptbahnhof gelegt. Die Baumaßnahme ist ein Teil des Infrastrukturprojektes „Ostkorridor Nord“. Laut einer Pressesprecherin der Deutschen Bahn wird das Projekt vier Jahre dauern. Dass es eine schwierigere und langwierigere Operation wird, als man auf den ersten Blick annimmt, liegt an der bereits angesprochenen besonderen Beschaffenheit des Streckenabschnitts.
„Vier Jahre Bauzeit ist natürlich nicht ohne. Aber immerhin steht die Ausbauvariante jetzt endlich fest“, verbreitet Carola Radtke vorsichtigen Optimismus. Vorbei ist damit endlich die Ungewissheit, die einigen Einwohnern durchaus Kopfschmerzen bereitete.
Denn von den vier Varianten zur Legung des neuen Gleises stießen einige auf klare Ablehnung bei den Wahrburgern, hätten sie doch tief in ihren Alltag eingegriffen und der Landschaft rund um den Ortsteil die ein oder anderen Wunde zugefügt. Die Option, die Stadt zu „umfahren“, sei nicht zu realisieren gewesen, hatte Chefplaner Andreas Hartwig bei einer Bürgerversammlung 2019 erklärt.
Bahn entscheidet sich für modifizierte Variante
„Die zuletzt im Mai 2020 vorgestellten Varianten 2, 3 und 4 sind vertiefend untersucht und weiterentwickelt worden. Auf dieser Basis wurde nun die neue Variante 4B als Vorzugsvariante identifiziert“, teilt eine Bahn-Sprecherin mit. Dabei wird das zweite Gleis südlich parallel zum bereits bestehenden Gleis aufgebaut. Es schließt also direkt an die Strecke Stendal-Uelzen an. Mit dem Planfeststellungsverfahren stehe die letzte Hürde aber noch aus, so die Bahnsprecherin.
Den Ausschlag für die modifizierte vierte Variante gab am Ende, dass die Einschränkungen für den Zugverkehr verhältnismäßig gering ausfallen. „Mit der Vorzugsvariante 4B gibt es eine Option, das zweite Gleis mit minimalen Eingriffen und einer erheblich besseren Fahrplaneinschätzung in den Bahnhof Stendal einzubinden“, begründet die Bahnsprecherin die Entscheidung.
Wahrburgern bleiben Härten erspart
Den Wahrburgern bleibt damit einiges erspart. Beispielsweise verzichtet die Bahn darauf, die angesprochene Fußgängerbrücke zu versetzen. Noch hörbarer aber atmen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mitglieder des Gartenvereins „Zur Erholung“ auf. Deren Anlage wäre nämlich bei der ursprünglichen vierten Variante in zwei Teile zerschnitten worden. Für den Verein ein Vorgang mit existenzbedrohendem Charakter. „Das ist natürlich eine gute Nachricht, dass dort nichts passiert“, sagt Carola Radtke.
Ein weiterer Vorteil der Entscheidung: Die nördlich gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen bleiben genauso unberührt. Sie wären im Falle der dritten Ausbauvariante in Anspruch genommen worden. Ein Wermutstropfen hingegen: Die Trasse rückt etwas näher an die Wohnbebauung heran. Für ausreichenden Schallschutz möchte die Bahn aber sorgen.