Serie "Stendaler in aller Welt": Tina Walinda leitet junge Filmemacher in Myanmar an Ein Leben aus Wegsein und Wiederkommen
In Stendal geboren und aufgewachsen und dann in die weite Welt hinaus gezogen. Wer seine Heimat verlässt, will nicht um jeden Preis weg - aber es zieht ihn woanders hin. In unserer neuen Serie "Stendaler in aller Welt" stellen wir solche Menschen vor. Heute: Tina Walinda (32) - Berlin, Myanmar.
Stendal l Gestern kurz Hallo und Tschüss sagen zu Hause, heute wieder zurück nach Berlin, morgen in den Flieger nach Yangon, die Hauptstadt von Myanmar. Aber das Tschüss-Sagen war Tina Walinda wichtig, genau wie ihren Eltern. Und Rauhaardackel Hermann bekommt auf diese Weise auch noch ein paar Streicheleinheiten ab. In Stendal, sagt die 32-Jährige, fühlt sie sich wohl. "Ich finde hier sehr viel Ruhe."
Für Tina Walinda gehört dieses Weggehen, Woanders-Sein, Zwischenstopp-Machen und Wieder-nach-Haus-Kommen seit vielen Jahren zum Leben. Es ist ihr Leben. "Ich bin nach dem Abi relativ schnell weg von zu Hause, aber es war nicht so, dass mir Stendal auf den Keks ging, es hat sich einfach so ergeben."
In Rostock hat sie eine Ausbildung zur Mediengestalterin gemacht, erfüllte sich 2005 ihren Wunsch, nach Leipzig zu gehen - studierte dort Kommunikationsmanagement. Dazu hatten ihre Eltern sie ermuntert, fanden die Idee, den Ort nochmal zu wechseln, ein Studium zu machen, gut. In Leipzig hat sie dann auch fast vier Jahre für das Dok-Film-Festival gearbeitet, hat ihre Liebe zum Film ausgelebt. "Aber dann hat sie es für unseren Geschmack etwas übertrieben", sagt ihre Mutter Gudrun Walinda, und es klingt Elternsorge durch. Denn dann zog Tochter Tina in die Welt hinaus: War mal in Norwegen, mal in den USA, zwischendurch auch in Australien, hat gejobbt oder ist einfach nur gereist.
"Ich habe gemerkt, wie einfach es ist, im Ausland zu leben, sich einzufügen, eine neue Sprache und ein anderes Volk kennenzulernen. Das war alles superschön." Auf einer dieser Reisen, es waren etwa fünf Monate in Australien, hat Tina Walinda, die bei aller Rastlosigkeit doch sehr reflektiert wirkt, ein Stück mehr zu sich selbst gefunden.
"Beim Reisen relativiert sich vieles"
Jetzt, mit 32, will sie auch mal ankommen. Ankommen, ein Zuhause haben. Und trotzdem nicht kleben bleiben. "Mir ist immer noch wichtig, immer mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen, nur habe ich durch meinen jetzigen Freund gelernt, dass man dieses Bedürfnis ja nicht im Extrem ausleben muss." Also nicht nur von Flughafen zu Flughafen, von Land zu Land, von Wagnis zu Wagnis. "Ich möchte nicht mehr so rastlos und vogelfrei leben, sondern von einer Basis aus die Welt erkunden. Und gern auch mit meinem Partner zusammen." Wenngleich sie das Alleinreisen nicht scheut - im Gegenteil, es hilft ihr, einen klaren Blick zu bekommen.
Tina Walinda ist ein Mensch, der das Mal-woanders-Sein braucht, um sich zu erden, wie sie sagt. "Beim Reisen relativiert sich vieles, es hat eine neutralisierende Wirkung auf mich. Wenn man nur immer an einem Ort ist, verrennt man sich, versteift sich auf Dinge."
Ihr Zuhause ist jetzt erst einmal Berlin. Seit August vorigen Jahres hat sie eine feste Stelle bei der Yangon Film School, die in Myanmar junge Dokumentarfilmer ausbildet. "Auch nach der Öffnung des Landes nach der langen Zeit der Militärdiktatur ist es nicht einfach, Fuß zu fassen, das Land ist in einer Findungsphase." Aber sie und ihre Kollegen geben sich kämpferisch, wollen die Studenten unterstützen. "Wir haben schon über 60 Titel herausgebracht, mit zweien sind wir Ende November auf dem International Documentary Film Festival in Amsterdam."
Morgen fliegt Tina Walinda in Myanmars Hauptstadt Yangon, um dort mit internationalen Tutoren für sechs Wochen einen Workshop zu Filmschnitt, Drehbuch und Filmgeschichte zu leiten. In diesem Land wird sie zum ersten Mal sein. Und ihre Eltern werden wieder froh sein, wenn sie gesund wiederkommt.
Auf lange Sicht zieht es Tina Walinda in den Norden, so viel weiß sie sicher. Da ist mit ihrem Freund in Waren an der Müritz ein guter Anfang gemacht. Und ihre Eltern, die gern zugeben, dass ihre beiden Töchter ihre eigene Reiselust angestachelt haben, beruhigt sie: "Ich komme ja immer wieder."