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Neue Spielleiterin am TdA Eltern waren enttäuscht und trotzdem ist die Wahl-Stendalerin ans Theater gegangen

Die Eltern wollten es nicht, und doch ging Patricia Hachtel ans Theater. Die 54-Jährige erzählt im Gespräch mit der Volksstimme von ihrem langen Weg von der schüchternen Schülerin zur Oberspielleiterin der Stendaler Spielstätte.

Von Berit Boetzer 30.06.2023, 06:00
Patricia Hachtel ist die neue Oberspielleiterin am Theater der Altmark in Stendal. Sie arbeitet in der Spielstätte an der Karlstraße auf der Bühne sowie auch davor.
Patricia Hachtel ist die neue Oberspielleiterin am Theater der Altmark in Stendal. Sie arbeitet in der Spielstätte an der Karlstraße auf der Bühne sowie auch davor. Foto: Berit Boetzer

Stendal - Sie habe sich schon eingelebt. Sehr gut sogar, weil es „Stendal einem leicht macht“. Sagt Patricia Hachtel, die neue Oberspielleiterin am Theater der Altmark. Als „Neue“ sei sie von den Kollegen herzlich willkommen geheißen und dann sei die Rolandstadt sowieso ganz zauberhaft. „Es hat sowas Mediterranes“, diese kleinen Häuschen in der Altstadt, in beigen Tönen angestrichen und dazu viel Grün. Ende der 1990er Jahre war Patricia Hachtel das erste Mal in Stendal. Im Winter, es war kalt und dunkel und viele Gebäude standen leer. Als es sie nun nach etlichen Jahren wieder hierher verschlug, dachte sie zuerst, „ich bin doch an einem ganz anderen Ort“. Schon unglaublich, wie sich hier alles verändert habe.

Von Zittau nach Stendal gezogen

In das künftige Zuhause in der Nähe des Theaters zog sie mit wenig Möbeln und drei Katzen. Ihr Mann, Schauspieler Tilo Werner, folgt demnächst nach. Denn auch er gehört ab der Spielzeit 2023/24 zum Stendaler Ensemble. Vorher arbeiteten Beide am Gerhart-Hauptmann-Theater in Zittau. Dort, wo auch Stendals neue Intendantin Dorothy Szalma als Schauspielintendantin wirkte. Als sie Patricia Hachtel anbot in die Altmark mitzukommen, sagte sie sofort „ja“ und „ich musste gar nicht lange überlegen“.

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An diesem sommerlich warmen Nachmittag spricht Patricia Hachtel mit viel Esprit, Humor und Begeisterung über ihre Arbeit. Schauspiel, Regie und Dramaturgie – sie kann so einiges. Und brennt dafür. Denn: „Was man am Liebsten macht, darin ist man immer gut.“

Die neue Stelle einer Oberspielleitung fügt sich in das Dreier-Gespann mit Intendantin Szalma und Chefdramaturgen Roman Kupisch. „Wir sind stark als Team.“ Hachtel, 54 Jahre alt, ist auf der Bühne zu erleben, steht als Regisseurin davor, sitzt disponierend am Schreibtisch und kümmert sich um das künstlerische Niveau sowie die Entwicklung des Ensembles. In ihrer Verantwortung liege es, dass die Schauspieler für sie passende, adäquate Rollen erhalten. Gut verteilt über die Spielzeit. Sie versteht sich als Ansprechpartner und kommunikativen Knotenpunkt im Haus an der Karlstraße. Aktuell befindet sie sich in den Vorproben. Das Publikum darf sie im „Struwwelpeter (Shockheaded Peter)“ als Schauspielerin kennenlernen. Das Musical feiert am 16. September Premiere. Ihren Einstand als Regisseurin gibt sie mit dem Familienstück „Karlsson vom Dach“, das diesjährige Weihnachtsmärchen am Theater. Premiere ist am 11. November.

Das Lampenfieber kehrt stets zurück

Egal ob auf den Brettern, die ja bekanntlich die Welt bedeuten, oder davor, ohne Aufregung und Lampenfieber geht es bei ihr nicht. Fünf Minuten vor Aufführungsbeginn liegen die Nerven blank und sie frage sich jedes Mal: „Warum mache ich das bloß?“ Gleichwohl fiebere sie bei den Kollegen mit. Weil sie wisse, wie viel Arbeit, Disziplin und Herzblut in jedem Stück stecke. Gerade der Beruf eines Schauspielers sei sehr emotional. Sich für eine bestimmte Rolle zu öffnen, erfordere Vertrauen in sich selbst und in den Regisseur. Es sei das Gegensätzliche, was Patricia Hachtel reizt. Als Schauspielerin ist sie weisungsgebunden, als Regisseurin bestimmt sie und gibt klare Anweisungen.

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Im baden-württembergischen Aalen 1969 geboren, war ihr erster Ausflug auf eine Bühne prägend und tränenreich. Im Kindergarten sollte sie als Engel verkleidet ein Glockenspiel darbieten. Es klappte nicht, „heulend bin ich von der Bühne gelaufen“. Dann im zarten Alter von 15 Jahren schloss sie sich dem Schultheater an, „aber nur als Souffleuse“. Einen Satz einzusagen, „war so peinlich, in dem Alter war mir so vieles furchtbar peinlich“. Diese Phase war schnell überwunden und zwei Jahre später weckten Amateurtheatertage wieder ernsthaftes Interesse. In ihrer Heimat Aalen gründete sich ein Stadttheater und sie arbeitete in der Regieassistenz. Schnell sei sie in diese Tätigkeit gewachsen, parallel studierte sie auf Lehramt und merkte bald, dass eine Lehrerin zu sein, „mich nicht die nächsten Jahre glücklich machen wird“.

Als sie 24 Lenze zählte, begann sie ihr Schauspielstudium in Ulm. Während ihre Eltern bis dato hofften, das Berufsleben ihrer Tochter füge sich doch noch in geordnete Bahnen, „war dann ganz schön Drama zu Hause“. Ihr wurde der moralische Niedergang prophezeit. Das sei natürlich nicht eingetroffen und auch die Verwandtschaft habe mit ihrem Beruf Frieden geschlossen.

Ensemblemitglied an mehreren Spielstätten

Nach ihrem Studium war sie festes Ensemblemitglied an der Landesbühne Sachsen-Anhalt in Eisleben und dann beim Berliner Kabarett „Die Stachelschweine“. Als weitere Stationen folgten unter anderem das Theater für Niedersachsen, das freie Theater Bozen, das Studiotheater in Berlin und die Städtische Bühne Lahnstein. Seit 2010 wird sie als freie Regisseurin deutschlandweit verpflichtet.

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Die Neu-Altmärkerin mag diesen Landstrich hier. Freie Flächen, nicht von Bergen umzäunt. Durch den Tiergarten ist sie schon geschlendert, stöberte an den Ständen des Flohmarktes auf dem Flugplatz, sah sich das Kloster in Jerichow an und ist begeistert von der Schönheit der Stadt Tangermünde.

Der Stendaler Spielstätte bescheinigt sie schon jetzt „ein gutes Miteinander und eine gute Bühnenenergie“. Dieses werden Theaterfreunde in der neuen Spielzeit, die mit Perspektivwechsel getitelt ist, sicherlich zu spüren bekommen.