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Landgericht Emily wies auffällige Hämatome auf

Am gestrigen Freitag hat das Landgericht Stendal den Prozess um den Tod der kleinen Emily fortgesetzt.

Von Wolfgang Biermann 07.08.2015, 17:14

Stendal l Laut Anklage soll das 18 Monate alte Kind Kopfverletzungen infolge von Schlägen und des Schüttelns durch die Ziehmutter Katja B. (20) erlitten haben, an denen es am 6. Februar schließlich verstorben ist. Patrick F. (30), Emilys leiblicher Vater, ist der billigenden Inkaufnahme der Misshandlungen angeklagt.

Der am 2. Februar um 7.14 Uhr alarmierte Notarzt sagte gestern aus, dass er in Bismark eintraf, als sich das bewusstlose Kind bereits in einem Rettungswagen befand. Das Mädchen habe keinerlei Reaktionen gezeigt. Er habe „auffällige Hämatome unterschiedlichen Alters an Stirn, Wangen, Augenbrauen und Ohr“ des Kindes festgestellt und die sofortige Fahrt ins Krankenhaus Stendal angeordnet, so der 34-jährige Mediziner. Die blauen Flecken habe die mitfahrende, „sich besorgt zeigende“ Angeklagte mit selbst verursachten Stürzen auf Bauklötze erklärt.

Das sei für ihn aber aufgrund der Verletzungsbilder nicht plausibel gewesen und ihm bislang in dieser Form noch nicht vorgekommen. Eine Computertomographie in Stendal habe seinen Verdacht auf Hirnblutung bestätigt. Daraufhin sei Emily sofort per Hubschrauber in die Uniklinik Magdeburg verlegt worden. Während der Aussage des Notarztes blickte die Angeklagte, die seit dem 15. Februar in U-Haft sitzt und – wie beim Prozessauftakt bekannt wurde – am 10. Juli ein Kind von Patrick F. entbunden hat, den Mediziner nicht an. Sie hielt den Kopf gesenkt, die langen Haare tief ins Gesicht gezogen. Der mitangeklagte Vater war indes augenscheinlich mehrfach den Tränen nah.

Gespannt hatten die Prozessbeteiligten auf das Eintreffen der angeblichen Belastungszeugin gewartet. Die hatte zum Prozessauftakt unentschuldigt gefehlt. Am zweiten Verhandlungstag konnte sie von der Polizei nicht vorgeführt werden. Stattdessen sagte gestern ein Kripobeamter aus, was diese Zeugin in einer Vernehmung am 6. Februar gesagt hat. Demnach habe sie „kein gutes Verhältnis“ zu Katja B. gehabt, hätte aber gleichwohl mehrfach in der Wohnung der beiden Angeklagten übernachtet. Sie wolle gesehen haben, dass die Angeklagte ihre Stieftochter mehrfach mit der flachen rechten Hand „auch auf den Kopf“ geschlagen und zudem geschüttelt habe, sagte der Kripobeamte aus. Das hätte sie „öfters und vor allen“ getan. Es erschien dem Beamten seltsam, dass Emily dabei gelacht haben soll. Die Zeugin sei wohl eher „vom schlichten Typ“, ihre Aussage habe auf ihn aber glaubhaft gewirkt. Sie habe nichts ausgeschmückt und nicht fabuliert.

Im Prozess führt Richter Ulrich Galler als Vorsitzender der Jugendkammer ein strenges Regime. Schon beim Prozess-auftakt gab es Rügen an Medienvertreter wegen unerlaubter Online-Nutzung von Smartphone und Laptop. Das setzte sich gestern fort. Erst eine Ermahnung wegen einer Cola-Flasche, dann noch zwei weitere wegen Handy-Nutzung. Und schließlich folgte der Rauswurf einer Zuschauerin, die es gewagt hatte, einen Schluck aus einer Milchgetränk-Flasche zu nehmen. Gegen die unentschuldigt fehlende Zeugin hatte Richter Galler auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld von 300 Euro, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft, verhängt.

Der Prozess wird fortgesetzt.