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Fahrtraining Im Simulator zum Brandeinsatz

Wie in Wirklichkeit und doch nur eine Übung. In einem Pilotprojekt hat die Freiwilligen Feuerwehr Stendal Blaulichtfahrten trainiert.

Von Regina Urbat 19.11.2019, 14:00

Stendal l Der Motor springt an, es rappelt. René Tangelmann bedient den Schalthebel, die Fahrt unter Tatü-Tata und Blaulicht zu einem Löscheinsatz beginnt. Auf der Autobahn brennt ein Pkw. Beim Überholen eines Lasters schwenkt dieser aus, es kracht. „Das war nicht so gut“, sagt eine Stimme im Hintergrund und gibt die Anweisung: „Starte noch einmal.“

Der Feuerwehrmann bleibt trotz des „Unfalls“ ruhig und gelassen. Der Crash war wohl dem Vorführeffekt für die Presse geschuldet. Im zweiten Anlauf meistert Tangelmann die Fahrt zum Einsatzort mit Bravour, in einem sicheren Abstand – „wegen der Explosionsgefahr“, wie er sagt – stoppt der Brandschützer den Lkw und stellt den Motor ab. „Nun kann gelöscht werden“, tönt es aus dem Lautsprecher im Cockpit. Mit einem Lob für die besonnene und sichere Fahrt wird diese Übung auf dem modernen Fahrsimulator beendet.

Zwölf ehrenamtliche Mitglieder der Stendaler Ortsfeuerwehren nehmen an dem Sicherheitsfahrtraining teil. In dieser Form ist die sogenannte Blaulichtschulung ein Pilotprojekt. Wird sie angenommen, sollen künftig weit mehr Kameraden als das Dutzend in den Genuss kommen. Wert auf regelmäßige Schulungen wird gelegt, wobei sie kein Zwang sind, sondern ein freiwilliges Angebot für Maschinisten der Feuerwehr.

In der Regel sind sie „keine Berufskraftfahrer“, sagt Martin Jurga. Der Vize-Stadtwehrleiter koordiniert das Pilotprojekt, das am Morgen mit einem Theorieteil begonnen hat. Speziell geht der Fahrlehrer Thomas Ebert aus Schwedt dabei auf die Straßenverkehrsordnung, bezogen auf Einsatzfahrten, ein – auf den Paragrafen 1 sowie die für Sonder- und Wegerecht. In dem Lehrgespräch mit zahlreichen Praxisbeispielen sei deutlich geworden, dass man als Feuerwehrmann nicht immer und überall im Recht ist, sagt Jurga.

Andererseits sei in dem „sehr lebendigen Vortrag“ auch zur Sprache gekommen, mit welchem Gefahrenpotenzial die Maschinisten auf Einsatzfahrten konfrontiert werden können. Ganz typisch sei, dass Fahrzeuge zwar vorschriftsmäßig am Straßenrand halten, wenn sie ein Feuerwehrauto unter Sondersignal wahrnehmen, „doch wird‘s für uns oft zu eng, wenn es auf gleicher Höhe geschieht“, sagt der 34-jährige Oberbrandmeister.

Ein weiteres Problem, zügig voranzukommen, entstehe, wenn Autofahrer vor einer roten Ampel stehen. „Seitlich Platz machen – können sie nicht, bei Rot fahren – trauen sie sich nicht“, weiß Jurga. Dabei sei es rechtlich erlaubt, bei Rot unter Vorsicht, keinen anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden, zu fahren. So könne dann die Weiterfahrt der Feuerwehr begünstigt werden.

Problematisch für die Feuerwehr sei in schmalen Straßen der Stadt die Missachtung von Halteverboten und auf Landstraßen das riskante Überholen eines voranfahrenden Autos, das vorschriftsmäßig langsam an den Straßenrand heran fahre. Der Maschinist der Feuerwehr dürfe nicht auf Teufel komm raus sein Vorrecht auf der Straße erzwingen, denn ob in der Stadt oder über Land, eins sei das Wichtigste: „Lieber ankommen, als umkommen“, betont Stadtwehrleiter Michael Geffers und gibt ein Zitat eines Fahrschullehrers wieder.

Die Verantwortung für die Kameraden im Fahrzeug und für jene Menschen, die am Einsatzort schnelle Hilfe brauchen, bedeute für den Feuerwehrmann, der beispielsweise einen den Zwölftonner so schnell wie möglich zum Ort des Geschehens bringen muss, „Stress pur“, führt Geffers weiter aus. Deshalb sei es ihm mit diesem Pilotprojekt wichtig gewesen, der Theorie diesmal einen Praxisteil folgen zu lassen, bei dem unter sehr realistischen Bedingungen der Ernstfall geübt werden kann.

Bei seiner Recherche, dem üblichen Fahrsicherheitstraining auf dem Flugplatz Borstel noch eins drauf zu setzen, sei Geffers auf den Lkw-Simulator der Firma SiFaT Road Safety GmbH in Berlin gestoßen. Der Truck samt Container hat so am Sonnabend auf dem Gelände der Stendaler Feuerwache Station gemacht. Als Trainer und Operator ist Klaus Kroner an Bord, der zunächst jede Dreier-Gruppe einweist. Schnell wird den Kameraden klar, dass es weit mehr als ein Computerspiel ist und die Anweisungen, die Kroner aus der Schaltzentrale vom Nebenraum heraus gibt, verdammt ernst zu nehmen.

Dem Berliner macht keiner etwas vor. Er merkt sehr schnell, wenn der Fahrer im Cockpit beim Steuern in den Gegenverkehr oder Ausweichen eines Hindernisses nicht voll bei der Sache ist. Ein ängstliches Gefühl im Bauch, das sei gewollt und gut. Dann werde die Übung ernst genommen. Kroner beobachtet sehr aufmerksam das Fahrverhalten, wertet Fehler umgehend aus. Er gibt Anregungen und Tipps bevor er den nächsten Kandidaten zur Testfahrt bittet.

Und wieder springt der Motor an, ein Hydrauliksystem simuliert Bewegungen, Erschütterungen, Steigungen und Neigungen. „Nur Fliehkräfte können wir nicht nachstellen“, sagt Kroner. Für die Teilnehmer kein Manko, denn das Gefühl in der Kabine „ist sehr realitätsnah“, sagt Jurga.

Zahlreiche Extras hat der Operator einprogrammiert, die sich in Wahrheit ergeben können. Ein Reh springt auf die Fahrbahn, ein Ball rollt darüber, Kinder rennen hinter einem parkenden Auto auf die Straße, ein Lkw verliert Ladung. Simuliert wird auch die schwer einzuschätzende Reaktion von anderen Verkehrsteilnehmern.

Das Pilotprojekt kommt bei den Teilnehmern sehr gut an und erfüllt letztendlich den Anspruch des Stadt-Wehrleiters. „Die Attraktivität des Ehrenamts wird gesteigert und trägt zur aktiven Unfallverhütung bei“, sagt Michael Geffers.