1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Messerstich bleibt mysteriös

Freispruch Messerstich bleibt mysteriös

Ein blutiger Zwischenfall während des Rolandfestes hat das Amtsgericht Stendal jetzt beschäftigt. Der Prozess endete mit Freispruch.

Von Wolfgang Biermann 28.07.2020, 05:00

Stendal l Es war eine ungewöhnliche Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Stendal: Das Opfer, ein durch einen Messerstich ins Bein erheblich verletzter 19-Jähiger aus Stendal, machte während des Prozesses große Erinnerungslücken geltend.

Auch der 20-jährige Stendaler auf der Anklagebank gab zu Protokoll, sich nicht erinnern zu können. So waren ein verbotenes und von der Polizei beschlagnahmtes Springmesser sowie ein Arztbericht aus dem Johanniter-Krankenhaus die einzigen Beweismittel für die Tat.

Zu wenig, befand das Gericht: Es sprach den gerichtsbekannten Angeklagten, der schon sieben Mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, frei. Das geschah nicht aus Mangel an Beweisen – denn das gibt es nach deutschem Recht nicht mehr. Sondern nach dem juristischen Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Worum ging es? Es war Rolandfest in Stendal. Laut Anklage wurde dem 19-jährigen Opfer – ein Handwerker stämmiger Statur – auf dem Heimweg vom Marktplatz zu seiner Wohnung im Bereich Stadtsee am 16. Juni vorigen Jahres in der Zeit zwischen 2 Uhr und 3.45 Uhr mittels eines Springmessers ein tiefer Stich in den linken Oberschenkel verpasst; dringend tatverdächtig war der 20-jährige Angeklagte. Übereinstimmend gaben beide Männer an, sich vom Sehen zu kennen – mehr haben sie bislang nicht miteinander zu tun gehabt.

Der 19-Jährige sagte als Zeuge aus, dass er stark alkoholisiert gegen 2 Uhr vom Rolandfest in Richtung Wohnung gegangen sei. 100 Meter vor seinem Ziel habe er plötzlich „etwas Warmes am Bein gespürt“. Blut sei ihm heruntergelaufen. Wie er verletzt wurde, wisse er nicht. In seiner Erinnerung sei nur ein „großes schwarzes Loch“. Im Krankenhaus sei er auf mögliche K.o.-Tropfen untersucht worden – ergebnislos.

Der Angeklagte gab an, dass er ebenfalls auf dem Rolandfest und „ziemlich besoffen“ gewesen sei. Auf dem Heimweg, den offenbar auch das Opfer genommen hat, habe er in der Stadtseeallee – auf Höhe „Bauarbeiter“ – das Messer gefunden und eingesteckt.

Warum die Polizei auf den Angeklagten kam, blieb im Gericht offen; jedenfalls fanden die Beamten das Springmesser bei ihm. Dabei handelte es sich eindeutig um die Tatwaffe, denn es klebte noch Blut des 19-Jährigen daran.

Das reiche jedoch nicht für eine Verurteilung, befand die Staatsanwältin und forderte Freispruch. Das Gericht folgte dem Antrag – auch „wenn da Zweifel sind, die für eine Schuld sprechen“, wie es in der Begründung hieß. Zum Prozess wäre es wohl gar nicht gekommen, wenn der Angeklagte der Ladung der Polizei zu einer Vernehmung gefolgt wäre, stellten Staatsanwältin und Richter fest. Die Begründung des 20-Jährigen für sein Fernbleiben: Er habe „schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht“.