1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Gasthof Otto Meier schließt nach 150 Jahren

Wilhelm Meier siedelte 1862 nach Späningen / Familienbetrieb muss in vierter Generation aufgeben Gasthof Otto Meier schließt nach 150 Jahren

Von Axel Junker 10.02.2012, 05:20

Nach 150 Jahren endet in einem altmärkischen Dorf eine Familientradition. Der Späninger Gasthof Otto Meier schließt seine Türen, nachdem vier Generationen auf der Hofstelle Land- und Gastwirtschaft betrieben haben.

Späningen l Jutta Meier-Tietze, die letzte Inhaberin des Späninger Gasthofes Otto Meier, musste im Dezember aus gesundheitlichen Gründen die Notbremse ziehen und ihre Gaststätte samt Einkaufsladen und Otto-Laden abschließen. Der familiäre Nachwuchs will und kann den unwägbaren Gaststättenbetrieb in dem 234-Seelen-Dorf nicht weiterführen.

1862 siedelte der Bauer Wilhelm Hermann Meier von Haldensleben (Satuelle) nach Späningen um. Er erwarb eine Baufläche für einen Hof und 25 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Auf dem Hof wurden ein Wohnhaus und ein kleiner Gasthof errichtet. Von der Landwirtschaft und dem Gasthof im Nebenerwerb lebte die Familie. Der preußisch-österreichische Krieg 1866 und der deutsch-französische Krieg 1870/71 rissen Lücken in die Familie. Doch Gasthof und Hofstelle, die immer mit guten Pferden platziert war, behaupteten sich. "Bei den Ulanen soll mein Großvater mit seinen Pferden besonders aktiv gewesen sein", erzählt Günther Meier. Sein Vater Otto Meier gab des Öfteren folgenden Spruch zum Besten: "Wo Ulanen attackieren, muss der stärkste Feind verlieren."

"1905 wurde mein Vater Otto geboren", erzählt Günther Meier. Mit Disziplin und Gehorsam ist er in dem Landwirtschaftsbetrieb mit Gasthof aufgewachsen. Ein Unfall bei der landwirtschaftlichen Hilfe veränderte die beruflichen Träumereien. Ein beladener Ackerwagen fuhr über sein rechtes Knie und er wurde "zum Krüppel", wie er später selbst sagte. Die Abnahme des Beines blieb Otto Meier erspart. Das rechte Bein war aber zeitlebens steif. Otto Meier lernte den Beruf des Goldschmiedes und fand eine Anstellung in Nürnberg. Er verdiente sehr gut, zuweilen fünf Mark in der Woche.

Der Erste Weltkrieg kostete die Meiers einiges - menschliches Leid, Tod, die schwere Verwundung des Großvaters und den Verlust von vier Pferden. "1923 investierte mein Großvater Wilhelm noch einmal und vergrößerte den Saal und einige Ställe", erzählt Günther Meier.

Es kam der Zweite Weltkrieg. Zwei Brüder von Otto Meier blieben an der Ostfront. Otto Meier kehrte aus Nürnberg zurück und bewirtschaftete mit seinem Vater den Hof und die Gastwirtschaft. Die Mutter verstarb zu früh, die Verwandtschaft mischte sich in das Geschäftliche, Hof und Gasthof standen vor dem Ruin. Doch Otto Meier rettete den Familienbetrieb. Russen, Engländer und Amerikaner quartierten sich nach Kriegsende auf dem Hof ein. "Mein Vater war geduldeter Gast im eigenen Haus", beschreibt Günther Meier die Situation.

1945 lernte Otto Meier seine spätere Ehefrau Herta Schwieger aus Jeetze kennen. Aus der Ehe gingen die Söhne Otto (Jahrgang 1947) und Günther (1948) sowie Tochter Renate (1953) hervor. 1946 war der Vater von Otto Meier gestorben. "Mit Onkel Martin, der 1948 aus der Gefangenschaft kam, bewirtschaftete mein Vater die Hofstelle und mit meiner Mutter den Gasthof", erzählt Günther Meier. Der Familienbetrieb existierte weiter. Der Wiederaufbau Deutschlands begann und die Familie erholte sich.

"Ich erinnere mich gern an die Zeit, als ich als Kind in der Gaststätte helfen durfte", erzählt Günther Meier. "Dagegen war das Aushelfen in der Landwirtschaft immer ein Muss." Beim Aufräumen in der Gaststätte wurden Leergut und Kippen eingesammelt. Letztere waren ein gutes Tauschobjekt. "Höhepunkt war, wenn man etwas Geld fand."

1961 trat Otto Meier "unter Tränen" in die LPG, erinnert sich Sohn Günther. Der Gasthof blieb privat, später wurde daraus eine Kommissions-Gaststätte. 1973 verstarb die Mutter von Günther Meier. "Ein Schicksalsschlag." Fortan widmete sich Otto Meier mit Leib und Seele der Gaststätte. Die allgemeine Versorgung verschlechterte sich aber zusehends. Bier und Brause waren nur bedingt haltbar. "Manchmal konnte man nichts verkaufen, weil nichts da war", erzählt Günther Meier. Der Jugendtanz kam in Mode. Der Saal wurde voll. Erst spielte eine Kapelle, Jahre später ein Diskjockey. Dem Rat des Kreises Kalbe war die florierende Privatgaststätte ein Dorn im Auge. Zweimal musste Otto Meier in den 80er Jahren zwangsweise verpachten. "Das wären die Nägel zu meinem Grab gewesen", sagte Otto Meier für den Fall, dass es so weitergegangen wäre. Nach Lehre und Montagetätigkeit kehrte Günther Meier mit seiner zweiten Frau Jutta nach Späningen zurück. Nach der schlechten Verpachtung des Gasthofes war es ein Segen für Familie, Wirtschaft und das gesamte Dorf, dass die Gastwirtschaft wieder in Eigenregie überging. Im April 1987 öffnete der Gasthof Otto Meier wieder seine Pforten. Inhaberin war Jutta Tietze, die neuen Schwung in den Familienbetrieb brachte. Otto Meier war hocherfreut, wie die Gastwirtschaft unter der neuen Chefin auflebte. Schnell sprach sich auch herum, dass "die Tietze gut kochen kann". "Wenn mein Vater und meine Frau fachsimpelten, war ich nur Zuhörer", erinnert sich Günther Meier. Vater Otto erlebte noch die Wende, den Anbau und die Sanierung des Anwesens und verstarb 1995 mit fast 90 Jahren.

Aus gesundheitlichen Gründen mussten nun Jutta und Günther Meier den Gasthof aufgeben. Im Dezember 2011 schloss der Gasthof Otto Meier, das Anwesen wurde veräußert. Im März ist der Umzug nach Arendsee geplant.