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Geldstrafe Aus finanzieller Not im Internet betrogen

Weil er ein Handy verkauft, aber nicht geliefert hat, wurde ein Mann Anfang 60 vom Stendaler Amtsgericht zu einer Geldstafe verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 23.04.2020, 11:00

Stendal l Wie das sprichwörtliche Häufchen Elend sitzt ein Mann Anfang 60 auf der Anklagebank im Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft legt ihm Internetbetrug zur Last. Es ist schon der vierte Termin in dieser an sich simplen Sache. Am Ende wird der Angeklagte zu 300 Euro Geldstrafe und Rückzahlung der ergaunerten 560 Euro verurteilt.

Stoisch wiederholt er auf Nachfragen von Richterin und Staatsanwältin immer wieder: „Ich habe gedacht, ich schaffe das.“ Geldsorgen hätten ihn geplagt. Die Zwangsversteigerung seines kleinen Häuschens in einem Ort bei Stendal steht schon auf dem Aushang im Amtsgericht. Er lebe von Hartz IV und werde vom Amt unterstützt, und hätte etwa 850 Euro im Monat.

Allerdings würden ihm derzeit davon nur etwa 80 Euro Netto monatlich bleiben. Er hätte noch etwa 10.000 Euro für den über Krediten „von Kumpels“ finanzierten Hauskauf offen, berichtet er. In seiner Not hätte er nicht aus und ein gewusst und am 19. April vorigen Jahres sein Mobiltelefon auf eBay-Kleinanzeigen für 560 Euro angeboten. Problem dabei: er hat es gleich zweimal verkauft, hatte das Handy der Marke Huawei aber nur einmal.

Eine Käuferin aus Süddeutschland ging trotz Zahlung der Kaufsumme leer aus und erstattete Anzeige, um wieder an ihr Geld zu kommen. Richterin Petra Ludwig hatte im September vorigen Jahres beim ersten Anlauf in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens zum Ziel erklärt. Zahlt er der Geschädigten die 560 Euro zurück, sollte die Sache ohne Verurteilung erledigt sein. Der Angeklagte versprach das auch, tat es aber nicht.

Beim nächsten Termin legte er eine angeblich kurz vor dem Gerichtstermin angewiesene Banküberweisung vor. Doch das Geld kam bei der Handy-Käuferin nicht an. Beim nächsten Gerichtstermin legte er den Kontoauszug eines Freundes vor, der die Zahlung belegen sollte.

Doch wie sich herausstellte, war der Kontoauszug nicht von der Bank ausgestellt worden, jedenfalls nicht so. Mit dem Kontoauszug stimme was nicht, sagte Richterin Ludwig im letzten Termin. „Sie wurschteln sich immer weiter rein, langsam wird es dramatisch.“ Und: „Jetzt ist Feierabend“.

Es werde ein neues Verfahren gegen ihn wegen Urkundenfälschung geben, kündigt sie an. Der Angeklagte sinkt nach ihren Worten noch weiter auf seinem Stuhl zusammen. Die Staatsanwältin führt an, er habe „ganz viele Chancen gehabt“. Sie fordert 600 Euro Geldstrafe. Ihre Forderung halbiert Richterin Ludwig im Urteil auf 300 Euro. „Die Geldstrafe können Sie auch abarbeiten“, gibt sie ihm mit auf den Weg. Und: „Ich gebe ihnen privat den Rat: Gehen Sie zur Schuldnerberatung!“