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Gericht Haftstrafe für Magdeburger

Vor dem Amtsgericht Stendal wurden zwei Magdeburger wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Sie sollen einen Syrer attackiert haben.

Von Wolfgang Biermann 25.05.2018, 14:43

Stendal l Am Ende der umfangreichen Beweisaufnahmen am Donnerstag, 24. Mai 2018, gab es nicht nur die Haftstrafen, die Angeklagten müssen zudem dem Opfer, einem 31-jährigen in Stendal lebenden Syrer, der über einen Anwalt als Nebenkläger am Prozess vertreten war, zusammen 2000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Pe­tra Ludwig, Strafrichterin am Amtsgericht Stendal, befand einen 45-jährigen Deutschen mit libanesischen Wurzeln, der 2. Vorsitzender der Islamischen Gemeinde Magdeburg ist, und einen 40-jährigen, in Syrien geborenen Palästinenser für schuldig, am 1. Juni vorigen Jahres in Stendal nahe der Moschee in der Lucas-Cranach-Straße den 31-jährigen Syrer mit einem gesondert verfolgten dritten Mittäter "rollkommandoartig" abwechselnd geschlagen, getreten, mit einem Messer bedroht und "relativ schwer verletzt zu haben".
Für das Gericht steht fest, dass die Angeklagten im Auftrag handelten. Das Gericht stützt sich dabei auf die Aussage des Opfers. Demnach hat das Trio dem 31-Jährigen zur Mittagszeit im Wohngebiet Stadtsee in der Nähe der Wohnung seiner Schwester in einem Auto mit Magdeburger Kennzeichen "aufgelauert", ihn erst nach dem Namen gefragt und dann mit der Prügelattacke begonnen. Wer die Hintermänner waren, blieb am Ende des zweitägigen Prozesses trotz des Urteils offen.
Viele Fragen blieben, unter anderem diese: Wollten die Vorsitzenden der Islamischen Gemeinden Magdeburg und Stendal als Auftraggeber möglicherweise einen unbequemen Kritiker an der Verwaltung sowie der Handhabung von Gebetsritualen und Beschulung in ihren Gemeinden maßregeln und zum Schweigen bringen?
Oder handelt es sich bei dem Opfer um einen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Nahestehenden, wie die Vorsitzenden der Islamischen Gemeinden Magdeburg und Stendal - ein 44-jähriger Dozent der Uni-Magdeburg und ein im Stendaler Johanniter-Krankenhaus tätiger 36-jähriger Arzt - als Zeugen angaben?
Gemäß Urteil ging es vordergründig um 1500 Euro, die der Syrer angeblich dem Vorsitzenden der Islamischen Gemeinde Stendal für die illegale Einschleusung von Verwandten aus Saudi-Arabien gegeben haben will. Ein dubioses, offenbar falsches Gesundheitszeugnis der Berliner Charité spielte dabei eine Rolle.
Nachdem die Verwandten des Syrers nicht eingereist seien, forderte er das Geld zurück und schaltete dazu auch einen Anwalt ein. Der Syrer ist nach eigenen Angaben nicht Mitglied der Islamischen Gemeinde Stendal und hat in der Moschee seit einem Jahr Hausverbot.
Mitentscheidend für die Prügelattacke könnte laut Urteil eine Art Schmähschrift des Syrers auf Facebook gewesen sein. Die trägt, so Richterin Ludwig, den Namen "Stendal und die 40 Räuber", ist inzwischen aber gelöscht.
Ausdrücklich "nicht in Abrede" stellte das Gericht eine mögliche Beifallsbekundung des Syrers zum IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi, die er nach Angaben des Vorsitzenden der Islamischen Gemeinde Magdeburg im Beisein von mehreren Zeugen in Stendal gemacht haben soll. Wie der 44-Jährige dazu weiter angab, habe er in Absprache mit dem Stendaler Vorsitzenden darüber nachweislich den Landesverfassungsschutz und die Polizei informiert.
Beide Gemeindechefs wiesen als Zeugen die Anschuldigung zurück, hinter dem brutalen Anschlag auf den Syrer in Stendal zu stecken. Der Magdeburger Gemeindechef räumte aber ein, in einem Facebookeintrag seine Freude über die Attacke kundgetan zu haben. Wobei sich die korrekte Übersetzung dieses Beitrags aus dem Arabischen als schwierig erwies.
Etwaige Verstrickungen des Syrers zum IS werden wohl bei der Berufungsverhandlung am Landgericht eine größere Rolle spielen. Denn die beiden Verteidiger, die für ihre im Prozess schweigenden Mandanten Freispruch gefordert hatten, kündigten im Volksstimme-Gespräch nach der Verhandlung Rechtsmittel an.
Professor Ulrich Nellessen, Ärztlicher Direktor des Stendaler Johanniter-Krankenhauses, nahm als Beobachter am Prozess teil. "Wir haben islamische Ärzte im Haus und wollen hier keine Keimzelle werden", begründete Nellessen sein Interesse.