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Gericht Prozess wegen Erkrankung geplatzt

Vier Männer aus der Region Tangermünde sollen Opfer misshandelt, gedehmütigt, geschlagen und nackt am Ortsrand ausgesetzt haben.

Von Wolfgang Biermann 13.10.2020, 07:00

Stendal l Der im Vormonat vor der Berufungskammer am Landgericht Stendal begonnene Prozess gegen vier Männer aus der Region Tangermünde, die schwerer Verbrechen angeklagt sind, ist wegen Erkrankung eines Verteidigers geplatzt. Ein heute 35-Jähriger und drei 36 Jahre alte mitangeklagte, teils gerichtsbekannte Männer sollen im Februar 2015 in unterschiedlicher Tatbeteiligung im ehemaligen Bahnhof von Fischbeck in einem Stunden währenden Exzess einen der örtlichen Trinkerszene zugerechneten Mann misshandelt, gedemütigt, geschlagen und schließlich – nach Verbrennen seiner Kleidung – nackt am Ortsrand ausgesetzt haben. Er soll zudem mit dem Tode bedroht worden sein, für den Fall, dass er Anzeige erstattet.

Das Opfer zog sich laut einem Krankenhausattest zahlreiche Verletzungen zu und musste stationär behandelt werden. Bei dem jetzt geplatzten Prozess sprechen Justiz-Insider hinter vorgehaltener Hand – in Anlehnung an die aus der Autoindustrie bekannten sogenannten Montagsautos – von einem „Montagsverfahren“. So dauerte es fast vier Jahre, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren und die Staatsanwaltschaft Stendal Anklage beim Amtsgericht erhob.

Ende Mai vorigen Jahres wurde vor dem dortigen Schöffengericht der Prozess eröffnet. Doch schon am zweiten Verhandlungstag war Schluss. Ein Schöffe, also ein Laienrichter, führte am 14. Juni (für ihn) gewichtige berufliche Gründe an, an diesem Tag nicht weiter mitverhandeln zu können. Er ging einfach.

Da in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von drei Wochen kein neuer Fortsetzungstermin gefunden werden konnte, war der Prozess geplatzt. Das Amtsgericht bürdete dem Schöffen die durch seinen Weggang entstandenen Verfahrenskosten in fünfstelliger Höhe auf. Seine rechtlichen Schritte dagegen blieben nach Informationen der Volksstimme erfolglos.

Es erfolgte dann der zweite Prozessauftakt am Amtsgericht – mit neuen Schöffen. Am Ende wurden die vier Angeklagten zu Freiheitsstrafen verurteilt. Bei zwei von ihnen setzten die Richter die Haftstrafen zur Bewährung aus. Die vier Angeklagten, die bis zum Schluss ihre Unschuld beteuert hatten, legten Berufung gegen das Urteil ein, die ab dem 3. September vor dem Landgericht verhandelt wurde.

Doch schon am zweiten Verhandlungstag setzte der Vorsitzende Richter Gundolf Rüge wegen Erkrankung des Verteidigers einer der beiden Hauptangeklagten den Prozess aus. Im Februar kommenden Jahres soll der Prozess neu aufgerollt werden. Wie die Volksstimme auf Nachfrage von Gerichtssprecherin Stefanie Hüttermann erfuhr, ist zum derzeit erkrankten ein zweiter Pflichtverteidiger bestellt worden.