Gericht Zwölf Minuten Angst

Beim Prozess zum Raubüberfall auf einen NP-Markt in Stendal wurden Telefonate zur vermeintlichen Tat abgespielt.

Von Mike Kahnert 23.02.2021, 06:00

Stendal l Drei Männer sollen einen NP-Markt in Stendal am 17. Juli 2020 überfallen haben. Sie sollen zwei Verkäuferinnen gefesselt und mit einer Softairpistole bedroht haben, während eine dritte ihnen rund 4500 Euro aushändigte – so die Anklage. Im Prozess am Landgericht Stendal gegen zwei Angeklagte wurden gestern Aufzeichnungen von Telefonaten abgespielt, die vermeintlich während der Tat stattfanden.

Die erste Aufzeichnung, auf der Stimmen zu hören sind, beginnt um 19.58 Uhr. Zu hören sind zwei Männer. Scheinbar befindet sich einer am Hintereingang, der andere an der Frontseite eines Marktes. Sie sprechen sich ab. Der eine sagt dem anderen, dass vorne zwei Verkäuferinnen sind. Hinten ist eine Person. Dann gehen die Männer rein.

Die Teilnehmer im Gericht hören das Telefonat aus der Perspektive des Mannes, der durch den Hintereingang ins Gebäude geht. Er trifft auf eine Frau. „Umdrehen, umdrehen“, sagt er. „Geh durch zum Büro“, fordert er die Mitarbeiterin auf. „Ich weiß nicht, wo das Büro ist, ich bin neu hier“, erwidert sie.

Einige Sekunden verstreichen. Die Stimmen sind schwer zu verstehen. Der Mann sagt scheinbar zu mehreren Personen, dass sie nur wegen dem Geld da seien. „Wir tun Euch nichts. Bitte nicht weinen“, sagt er. Der Mann ruft nach seinem Kollegen, der auch im Gebäude sein sollte. Keine Reaktion.

Die nächste Aufzeichnung startet um 20.02 Uhr. „Wo ist er? Ist er wieder draußen?“, sagt dieselbe Stimme wie zuvor. Die Frage ist scheinbar an den Angeklagten gerichtet, der am Tag der Tat draußen Schmiere stand. „Ich sehe ihn nicht“, bekommt er als Antwort. „Bruder, wo bist Du“, ruft besorgt der Mann im Inneren.

20.07 Uhr beginnt die nächste Aufzeichnung. Zu hören sind weinende Frauen. Ihr Schluchzen wirkt wie ein Wimmern. „Wir tun ihnen nichts. Wirklich“, versucht der Mann die Frauen zu beruhigen. Er ruft weiter nach seinem Mittäter.

Die letzte Aufzeichnung mit verständlichen Stimmen hat den Zeitstempel 20.10 Uhr. Der Mann im Inneren fragt: „Alles okay draußen?“ „Ja. Okay ich laufe weg“, sagt der Aufpasser. Er sagt weiter: „Warte. Polizei kommt.“ „Zu uns?“, fragt der Mann drinnen. Dann endet das Telefonat. Zwölf Minuten nachdem die vermeintlichen Täter den Markt betreten haben, Verkäuferinnen fesselten und Geld einsackten, trifft die Polizei ein.

Ein Urteil gibt es gegen den 44-jährigen und 40-jährigen Angeklagten noch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat neue Beweise vorgelegt – ein Handy samt Datenträger. Anfang März sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden.