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Grieben-Ferchland Die Verlierer des Fährendramas

Was macht die Stilllegung der Fährverbindung Ferchland-Grieben mit den Menschen an der Elbe? Volksstimme hat nachgefragt.

Von Birgit Schulze 03.06.2020, 01:01

Grieben l Petra Richter lebt fast genauso lange in Bittkau an der Elbe, wie es die Elbfähre im Nachbarort Grieben wieder gibt. Für sie bedeutet die Stilllegung der Fährverbindung vor allem persönliche Verluste, denn erst vor neun Jahren hatte sie über soziale Medien ihre Schwester Sylvia auf anderen Elbseite in Stresow wiedergefunden. Seither fuhr sie etwa zweimal im Monat über die Elbe. „In Genthin haben wir uns immer mal einen schönen Tag gemacht und konnten quatschen und auch gern mal einkaufen gehen“, erzählt sie.

Dass das bei Umwegen von mindestens 80 Kilometern hin und zurück künftig gar nicht mehr so einfach sein wird, das weiß sie schon jetzt und es trifft sie hart. Denn ganz nebenbei pflegt sie auch ihren Mann zu Hause und kann dadurch nicht nur in Corona-Zeiten, wo die Tagespflege nicht angeboten wird, kaum lange von zu Hause wegbleiben.

„Jetzt geht es über Tangermünde und dann ist ja da noch die Umleitung nach Genthin (also doch erst wieder nach Ferchland), da bleibt uns für ein Treffen kaum noch Zeit. Ich finde es echt traurig, auch für die vielen Radfahrer“, sagt Petra Richter.

Auch Britta Paßlack aus Grieben befürchtet Einschränkungen, nicht nur was das Einkaufen auf der durch die Fähre doch recht nahen anderen Elbseite betrifft. Sie ist regelmäßig zu ihrer Schwägerin ins Ostelbische gefahren und hat dort auch einen guten Orthopäden gefunden, erzählt sie.

Und dann ist da noch die Sache mit den Paketen, die schon jetzt schwierig war, wenn die Fähre mal wieder nicht fuhr: „Die GLS-Leute die die Pakete bringen, wenn sie uns nicht erreichen, nehmen ja auch unsere Pakete mit nach Parey. Das habe ich alles schon erlebt, dass ich außen rum fahren musste, um mein Paket abzuholen“, erzählt sie. Die historische Bockwindmühle in Grieben liegt direkt an der Zufahrt zur Fähre und hat oft Radtouristen auch von der anderen Elbseite zu Gast. Weil der Elberadweg auf beiden Seiten verläuft, wechseln die Radtouristen bei Grieben gerne von der einen auf die andere Seite. Bei Festen und größeren Veranstaltungen an der Bockwindmühle kommen nicht nur die Menschen aus der Region Tangerhütte und darüber hinaus, auch viele Gäste von der andren Elbseite waren bisher gern zu Gast.

Sogar Gastronomen und kulturelle Höhepunkte wie Musiker aus Parey, die „Modegruppe Anno Dazumal“ aus Hohenseeden oder der Heimatverein Ferchland kamen von der anderen Elbseite nach Grieben. Vereinsvorsitzender Klaus Wolf befürchtet sinkende Besucherzahlen zu den Festen und spricht von einem Einschnitt für die ganze Elbregion.

„Es ist schon traurig, dass so mit den Steuergeldern umgegangen wird, alles wurde gefördert und nun diese Misere. Zwei Mal wurden die Anleger auf beiden Seiten neu gebaut, auf beiden Seiten wurden Denkmale gesetzt zur Erinnerung an den Neuanfang 1998, die Werbetafeln auf beiden Seiten - alles umsonst, nur weil sich die Politik auf beiden Seiten in Schweigen hüllt. Hinter so einer Fährverbindung muss das Land mit den dazugehörigen Anliegergemeinden stehen. Die Verlierer sind – wie immer – die Kleinen.“ Für Doreen Vogt, die schon in Bittkau aufwuchs und dort bis heute lebt, ist die Stilllegung ein Durchtrennen von gewachsenen Verbindungen.

Sie selbst pendelt seit einigen Jahren täglich ins benachbarte Ferchland, musste wegen der Fährzeiten aber früh morgens schon den weiten Umweg über Tangermünde nehmen. Wenn sie dann Abends statt fast einer Stunde Fahrtzeit dank Fähre in zehn Minuten zu Hause war, sei das einfach nur schön gewesen, erzählt sie. „Es hat immer Fahrzeit, aber auch Nerven gespart“, sagt sie. Als Fleischereifachverkäuferin ist sie mit dem Verkaufsmobil von Ferchland aus den ganzen Tag auf Wochenmärkten unterwegs und freute sich Abends immer über eine kurze Heimfahrt.

Doch das ist nun vorbei. Dabei gebe es viele Menschen aus der Tangerhütter Region, die täglich zum Arbeiten auf die andere Elbseite müssten und gefühlt seien die Nachbarorte an der Elbe auch nie weit weg gewesen, sagt sie. Anders war das in Zeiten, als es keine Fährverbindung in diesem Bereich gab. Die Griebener Fähre wurde im zweiten Weltkrieg versenkt, die Bittkauer Fähre aber habe ihr Opa, Werner Vogt, noch bis in die 70er Jahre gesteuert, erzählt Doreen Vogt. Dann brachen die Fährverbindungen ab und mehr fast 30 Jahre lang gab es keine kurzen Wege mehr über die Elbe.

„Damals hatten wir kaum Kontakt zur anderen Elbseite, klar ist man auch ab und zu dorthin gefahren, aber es war jedes Mal eine größere Tour.“, erinnert sich Doreen Vogt. Als 1998 die neu gebaute Motorfähre Ferchland-Grieben in Betrieb genommen wurde sei es ein bisschen wie eine neue Welt gewesen, die sich auftat, „es gab plötzlich eine neue Richtung, in die man einfach mal mit dem Rad oder zum Einkaufen fahren konnte“, sagt sie.

Das scheint nun alles wieder Geschichte zu sein, zum 30. Juni soll die Fähre offiziell stillgelegt werden, seit Mitte vergangener Woche ist sie aber bereits wegen Niedrigwassers außer Betrieb.