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Holzwirtschaft Forstwirte seit zehn Generationen

Im Mittelalter war der Wald durch Raubbau bedroht, heute haben die Forstleute andere Probleme.

Von Rudi-Michael Wienecke 31.07.2016, 07:00

Brunkau l Der Regen kam für die jungen Kiefern im Brunkauer Wald zu spät. „Wasser hätten wir in der Hauptvegetationszeit, im Frühjahr gebraucht“, so Wilhelm von Carlowitz. Rund 50 Prozent der Pflänzchen dieser jungen Kultur sind regelrecht vertrocknet. Von Carlowitz macht den Klimawandel verantwortlich. Er beobachtet, dass in jüngerer Zeit die Trockenheitsperioden immer länger werden.

Im späten 17. beziehungsweise frühen 18. Jahrhundert sprach noch keiner vom Klimawandel. Das blühende Berg- und Hüttenwesen bedrohte den Wald. Holz wurde in Massen gebraucht und geschlagen. An das Nachpflanzen dachte niemand. Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erkannte die Gefahr dieses Raubbaues. In seinem 1713 erschienenden Werk „Anweisung zur wilden Baumzucht“ propagierte er, dass niemals dem Wald mehr Holz entnommen werden darf als nachwächst. Er prägte den Begriff der „Nachhaltigkeit“, der heut zu Tage in allen Bereichen schon fast inflationär verwendet wird.

Rund zehn Generationen später, in jeder davon gab es es Forstwirte, hütet Nachfahre Wilhelm von Carlowitz noch immer dieses Buch. Der studiert Theologe und Betriebswirt kam mit seiner Familie 2001 nach Brunkau, kaufte Wald von der BVVG, baute die dortige Gutsanlage wieder auf. Gemeinsam mit seiner Frau und einem Angestellten bewirtschaftet er einen 650 Hektar großen Forstbetrieb. Etwa 2000 Kubikmeter Holz, überwiegend Kiefern, werden durchschnittlich jährlich geerntet, an die Bauwirtschaft, die Spanplattenindustrie oder das Zellstoffwerk verkauft. Seit zwölf Jahren schreibt der Betrieb schwarze Zahlen, „allerdings ist er zu klein, als dass man davon kontinuierlich eine Familie ernähren könnte.“ Von Carlowitz ist aber Waldbauer aus Passion. Mit seiner Pension kann sich der 72-Jährige das „Hobby“ erlauben.

Entnommenes Holz wird selbstverständlich durch Neupflanzugen ersetzt. Der Nachhaltigkeitsgedanke des Hans Carl von Carlowitz ist mittlerweile in der Forstwirtschaft festgeschrieben. Der Schuh drückt den Waldbauern an Stellen, die man noch vor 100 bis 200 Jahren nicht kannte.

So zeugen über hundertjährige Douglasien im Carlowitzschen Bestand davon, dass diese nordamerikanische Baumart bereits unter unseren Altvorderen Freunde hatte. „Vor der Eiszeit gab es sie auch flächendeckend in ganz Europa“, weiß von Carlowitz. Heutige Bürokraten wollen nun aber, dass die „Fremdlinge“ aus deutschen Wäldern verschwinden, beziehungsweise gar nicht erst rein kommen, eben so wie die Küstentanne oder die Amerikanische Roteiche. Dabei seien es gerade solche Arten, die dem Klimawandel trotzen könnten, so von Carlowitz. Die vom amtlichen Naturschutz favorisierten urdeutschen Bäume wie Buche oder Eiche seien dagegen bundesweit sehr krank. „Ulmen gibt es kaum noch“, meint der Brunkauer. Diese traditionellen Arten würden eben mit der sich ändernden Umwelt nicht klar kommen. Ihm und seinen Kollegen werde es nun von Amts wegen erschwert, den Wald für die Zukunft, eben nachhaltig, fit zu machen.

Was Ur....Großonkel von Carlowitz auch nicht kannte, waren Autos. „In denen wollen viele Pilzsammler am liebsten bis an jeden Pilz heranfahren“, klagt der Nachfahre. Der Wald sei Allgemeingut, jeder dürfe ihn betreten. Die Fahrzeuge müssten aber am Waldrand gelassen werden. Fast noch schlimmer seien die Motorradfahrer, die quer durch den Wald crossen, selbst die Neuanpflanzungen nicht verschonen. Auch am späten Abend dröhnten sie auf ihren Maschinen durch die Forst und vergrämen das Wild. Hier leitet der Brunkauer zu einem anderen Problem der Neuzeit über: die Jagdgegner.

„Waldbewirtschaftung heißt nun einmal auch Wildbewirtschaftung“, macht er klar. Die Jäger müssten nicht nur die Baumkulturen vor all zu viel Verbiss schützen, sondern auch die angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen. Finden die Waidleute ihre Kanzeln dann angesägt vor sei das nicht nur ärgerlich, sondern auch lebensgefährlich.

Eine Belasung für die Carlowitzschen Forstleute aller Generationen dürfte der Holzdiebstahl gewesen sein. „Das hat in der Vergangenheit erfreulicher Weise etwas abgenommen“, so Wilhelm von Carlowitz. Wohl auch, weil er auf seinen regelmäßigen Revierbesuchen schon den Ein oder Anderen beim klauen erwischte und anzeigte. Dafür lassen die Leute zunehmend etwas in seinem Wald: ihren Müll. Von Glasflaschen über Bauschutt bis hin zum Sofa oder dem Trabbiwrack hat der Waldbauer schon alles auf seinem Grundbesitz gefunden. „Eine Mülltüte muss ich immer dabei haben“, klagt er. Zu Hause müsse dann sortiert werden. „Im Unrat fremder Leute rumwühlen zu müssen ist alles andere als angenehm“, macht er klar.

In jüngerer Zeit findet er außerdem gehäuft so genannte „Wertstoffe“. Als Nichtbeteiligter ist er vom Problem mit der Entsorgung der gelben Tonnen also unmittelbar betroffen. Was der Entsorger nicht mit nimmt, trage einige dieser Müllsünder eben mal schnell in den Wald. Hans Carl von Carlowitz dürfte vor mehr als 300 Jahren noch nicht über gelbe Säcke gestolpert sein.