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Domchor und Mitteldeutsches Kammerorchester brillieren in Mendelssohns "Elias" "Ich durfte einmal Operndirigent sein!"

Von Ulrich Hammer 09.10.2012, 08:44

Höchstens einmal im Jahr hat ein Chor die Möglichkeit, ein Oratorium aufzuführen. Auch Domkantor Johannes Schymalla hatte sich dafür ins Zeug gelegt.

Stendal l Eine Minute feierlicher Stille entstand nach dem Schlusschor des "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy im Dom St. Nikolaus, ehe sich brausender Beifall für das musikalische Meisterwerk des 19. Jahrhunderts erhob.

Lange Zeit hat sich der über 80 Sänger umfassende Domchor auf diesen Höhepunkt im Kirchenmusikjahr vorbereitet. "So ein Oratorium kann man höchstens einmal im Jahr machen", so Domkantor Johannes Schymalla. "Das über zweistündige Werk ist eine dirigentische Herausforderung. Und der Chor hat seit Januar dafür geprobt." Denn schließlich galt es für die Sänger, anderthalb Stunden durchzuhalten. Auch der Domkantor hatte sich auf den Auftritt extra vorbereitet: Er nahm Unterricht bei einem Kapellmeister in Berlin.

Doch "die Mühen der sauren Wochen" hatten ihren hörbaren Erfolg in der Aufführung gefunden. Zusammen mit einem harmonisch aufeinander abgestimmten Solistenquartett und dem gewohnt brillant musizierenden Mitteldeutschen Kammerorchester entstand ein wahres Musikfest.

Der biblische Stoff gibt dabei den Charakter vor. Gestaltet wird in bewegten Bildern das Dasein des "Wundertäters" Elias, der den Himmel um Regen bittet und über die Götzendiener Baals triumphiert. Hauptsolist Andreas Scheibner sang den Elias. "Seine Stimme und sein Ausdruck waren toll", zeigte sich Schymalla beeindruckt, "noch dazu hatte er Witz und schauspielerische Qualitäten."

Auch die anderen drei Solisten stellten ihr musikalisches Vermögen ganz in den Dienst des Oratoriums. Die Sopranistin Katherina Müller aus Berlin schlüpfte in die Rolle des Knaben und der Mutter, die Altistin Frauke Willimczik, ebenfalls aus Berlin, mimte Engel und Königin, und der Leipziger Tenor Martin Petzold verlieh Obadjah und Ahab seine Stimme. Als wohlklingendes Quartett vereinten sie ihre Stimmen am Ende in "Wohlan, alle die ihr durstig seid".

Das Orchester arbeitete mitunter mit naturalistischen Mitteln: Heftig aufzuckende Bassthemen zum Tremolo der Violinen in c-Moll und massive Akkorde auch in Dissonanzen beschreiben die Theatralik des Geschehens. "Bei so einem langen Stück ist es wichtig, die Dramatik beizubehalten. Das Oratorium muss spannungsreich sein - bis zum Schluss", so Schymalla.

Auch der Chor leistete Schwerstarbeit, bewältigte die umfangreiche Partitur mit homogener Klangwirkung, ob als Männerchor der Baalspriester oder in gemischten Chören der Volksszenen. Der Inhalt und der daraus resultierende musikalische Genuss ließen die Zuhörer nicht ungerührt.

Domkantor Johannes Schymalla führte seinen Chor, das Solistenensemble und das Orchester souverän durch das Werk und schwärmte am Ende: "Alles hat gepasst, war harmonisch: das Orchester, der Chor und die Solisten. Wir sind an dem Abend alle mit einem sehr guten Gefühl nach Hause gegangen. Und ich durfte einmal Operndirigent sein!"