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Justiz Mit Fahrradschloss um sich gehauen

Im Stendaler Obdachlosenasyl hatten sich ein Mann und eine Frau gegenseitig schwer am Kopf verletzt. Jetzt landete die Sache vor Gericht.

Von Wolfgang Biermann 27.01.2020, 11:00

Stendal l Um schwere körperliche Gewalt im Stendaler Obdachlosenasyl ging es vor kurzem am Stendaler Amtsgericht. Hat sich ein 41-Jähriger, der sich im Jahr 2016 zeitweilig in der Unterkunft am Hohen Weg aufhielt, der gefährlichen Körperverletzung durch Schlagen einer Mitbewohnerin mit einem Fahrradschloss schuldig gemacht oder war es Notwehr, wie es der gebürtige Magdeburger behauptet?

Am Ende des sich recht schwierig gestaltenden Prozesses, wurde das Verfahren gegen Zahlung von 300 Euro Schmerzensgeld an die junge Frau eingestellt. Über ihren Anwalt hatte das nicht als Zeuge erschienene angebliche Opfer 3000 Euro gefordert.

Schwierig gestaltete sich die Verhandlung vor allem dadurch, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben durch eine besondere Form von Autismus beeinträchtigt ist – dem Asperberger Syndrom. In Wikipedia heißt es unter anderem dazu, dass davon Betroffene „Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen“ haben.

Infolgedessen gestaltete sich die Vernehmung des 41-Jährigen, der sich selbst nicht zur üblichen Obdachlosenszene zählt und derzeit allein in einer Wohnung in Magdeburg lebt, nicht leicht. Sehr einfühlsam stellten Staatsanwalt und Richter ihre Fragen, was schließlich zum Erfolg führte. Wie der Angeklagte angab, sei seine Mitbewohnerin ihm körperlich überlegen.

„Ich habe Angst vor der Frau“, sagte er. Zuweilen hätte sie scheinbar völlig unmotiviert ein aggressives Verhalten gezeigt. Gleichwohl sei er mit ihr am 23. September 2016 bei einem Discounter gewesen. Während er seine Waren gekauft haben will, hätte sie angeblich Ladendiebstahl begangen. Dazu hätte es Streit gegeben. Sie hätte unvermittelt ein schweres Fahrradschloss genommen und ihn damit geschlagen, vor allem gegen den Kopf. Er hätte ihr das Schloss entwunden und sei weg vom Tatort. Dann hätte er bemerkt, dass er am Kopf heftig blutete. Daraufhin sei er zurück gegangen und hätte seine Kontrahentin mit dem Schloss attackiert.

In der Gerichtsakte befand sich ein Attest des Stendaler Krankenhauses. Demnach hatte sie eine Kopfplatzwunde, ein Schädelhirntrauma und Prellungen erlitten. Vom Angeklagten gab es nur ein Foto, das seine schwere Kopfverletzung dokumentierte. Er beharrte darauf, dass er in Notwehr handelte. Eine Notwehrlage habe mit der Wegnahme des Schlosses durch ihn nicht mehr bestanden, machte das Gericht dem Angeklagten eindeutig klar. Es rechnete ihm aber an, dass er zuvor selbst massive Verletzungen erlitten hatte. So kam es schließlich mit Zustimmung von Staatsanwalt und Opferanwalt zur Einstellung.