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Wenn der letzte Schultag etwas Endgültiges hat und auch ganz schön weh tut Kinder: "Unsere Schule gibt\'s nicht mehr"

Von Birgit Schulze 13.07.2013, 03:17

"Unsre Schule gibt\'s nicht mehr, das Schulgebäude steht nun leer", so sangen die Kinder der Uetzer Grundschule zum Abschlussfest am Donnerstag. Auch ehemalige Schüler, Lehrer und Eltern waren gekommen. Gestern gab es die letzten Grundschuldiplome der Uetzer Schulgeschichte.

Uetz l Obwohl es den fröhlich-bunten Anstrich eines Schulfestes hatte, schwang am Donnerstag auf dem Uetzer Schulhof auch viel Bedauern mit. Die kleine ländliche Schule, die zuletzt 44 Kinder besuchten, schloss gestern für immer ihre Türen. "Mein Sohn Dirk ging schon hier zur Schule, mein Enkel, Hendrik, ist jetzt in der dritten Klasse und muss nun noch einmal nach Tangerhütte wechseln - dass die Schule geschlossen wird, das tut einfach weh!", sagte Irmtraud Bergemann aus Uetz.

Karla Horstmann, von 1958 bis 1999 Lehrerin an der Uetzer Schule, pflichtete ihr bei: "Für Uetz ist das eine ganz schlimme Sache und ein trauriger Tag." An die Zeit, als 320 Schüler dort zur Schule gingen und als die Lehrer noch mit dem Rad über die Nachbardörfer fuhren, um die einzelnen Klassen der "Zentralschule im Aufbau" zu betreuen, erinnert sie sich noch. In Kehnert, Bertingen, Cobbel und Uetz gab es Klassen, die erst mit der Einweihung des neuen Schulgebäudes 1963 alle an einem Standort unterrichtet werden konnten.

Vom Lehrergehalt 20 Mark für den Neubau

Auch das besangen die Kinder in ihrem Lied "Unsre Schule gibt\'s nicht mehr". Geschrieben hat den Text der Tangerhütter Kinderliederautor Frank Herzog, die Musik stammt von Kollege Uli Schrader. Von einem "wunderschönen Tag vor 50 Jahren" und einer Schule, auf die jeder "stolz geschaut" hat, erzählt es. Doch nicht nur musikalisch, auch tänzerisch und mit einem kleinen Klassenzimmerstück vom Schüler, der immer seine Sachen vergaß, unterhielten die Uetzer Kinder ihre Gäste. Und das sogar auf Englisch.

Schulleiterin Andrea Herrmann und ihre Kolleginnen gaben den Kindern gute Wünsche mit auf den Weg und Erinnerungsfotos. Bis zum Abend saßen Eltern, Schüler und ehemalige Wegbegleiter in Uetz zusammen, tauschten Geschichten aus und auch die Wehmut über den Schulverlust. Seit 1725 sind Kinder in Uetz unterrichtet worden.

Uetz hat viele Lebensgeschichten mitgeprägt, auch die von Gerlinde Schwenecke, die seit 1950 dort unterrichtete und von 1971 bis 1979 Direktorin war. "Ich habe den Neubau der Schule damals mit organisiert", erzählt sie. Kollegin Gisela Lutter war 40 Jahre lang an der Schule, Sekretärin Änne Fischer 20 Jahre lang. Und auch Karla Horstmann erinnert sich noch gut an die Zeit: "Wir haben etliche Jahre lang immer 20 Mark im Monat von unserem Gehalt gespendet und wir haben über das Nationale Aufbauwerk viele Stunden geholfen, damit die Schule gebaut werden konnte", erzählte sie.

Ortsbürgermeister Jörg Rudowski wünschte allen Kindern einen guten Start in der neuen Schule und sprach in einer kleinen Abschiedsrede davon, dass er sich mehr Zeit für die Suche nach Alternativen zum Erhalt des Schulstandortes Uetz gewünscht hätte - und mehr politischen Mut. 2003 sollte Uetz zum ersten Mal wegen zu geringer Kinderzahlen geschlossen werden, damals kämpften Gemeinde und Eltern um den Standort, auch 2006 wurde es noch einmal knapp mit den Schülerzahlen, es wurden immer wieder Lösungen gefunden. Wichtig ist für Uetz und die umliegenden Orte, dass die Turnhalle für den Vereins- und Breitensport erhalten bleibt. Am Abend war der Posaunenchor Cobbel als Überraschung zu Gast, er hatte erst vor zehn Jahren die Begleitung der Martinsumzüge der Schule übernommen. "Nehmt Abschied, Brüder", spielte das Ensemble zum Schluss.

Gestern nahmen dann auch die Kinder Abschied von ihrer Schule und ihren Lehrerinnen. Bei der Schulversammlung übergab Schulleiterin Andrea Herrmann nicht nur eine Urkunde zum 25-jährigen Dienstjubiläum an Kollegin Birgit Lotsch, sondern auch Urkunden und Medaillen an die besten Sportler.

Letzte Leiterin schließt am Geburtstag ab

"Ich wünsche mir, dass ihr uns in guter Erinnerung behalten werdet", sagte Andrea Herrmann in ihrer Funktion als letzte Uetzer Schulleiterin. Und sie schwankte am letzten Schultag zwischen Freude und Trauer. Von ihren Schülern gab es spontane Ständchen zum Geburtstag, den sie gestern feierte. Die Viertklässler bekamen von Lehrerin Ina Rudowski die letzten Grundschuldiplome der Uetzer Schulgeschichte. Nach den Ferien geht es für die meisten Kinder in Tangerhütte mit dem Lernen weiter, einige werden auch die Ferienspiele schon dort verbringen.