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Kinderbetreuung Wenn Eltern nachts arbeiten müssen

Das Familienzentrum Färberhof in Stendal kann Dank eines Bundesprogramms auch 2019 eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung an bieten.

Von Bernd-Volker Brahms 13.12.2018, 00:01

Stendal l Für 34 Familien gab es Mitte November 2018 einige bange Tage. Für sie war lange nicht klar, ob ihre Kinder auch im kommenden Jahr in gewohnter Form weiter im Familienzentrum Färberhof in Stendal betreut werden können. Die Eltern sind aufgrund der eigenen Arbeitszeiten darauf angewiesen, dass die Kinder abends, nachts oder auch an Wochenenden betreut werden können. Seit 2016 kann der Fäberhof diese Betreuungszeiten mit Hilfe des Bundesprogramms „Kita plus: Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist!“ anbieten. Allerdings war bis zum 23. November nicht klar, ob das Programm auch 2019 fortgeführt werden kann. Dann kam die erlösenden E-Mail aus Berlin vom Familienministerium. „Bei den Haushaltsberatungen waren noch freie Mittel gefunden worden“, sagte Färberhof-Geschäftsführerin Marika Mund. Mehr als 310 Einrichtungen bundesweit profitieren davon.

„Ich hatte mich schon arbeitslos gemeldet“, erzählte Michel Fongang, der als Arzt in Stendal am Krankenhaus arbeitet. „Wir haben uns um eine Ersatz-Oma gekümmert“, sagt Mandy Rickmann, die ebenso wie ihr Mann im Schichtdienst arbeitet. „Meine Chefin hätte mir kündigen müssen“, sagte Katja Müller, die als Pflegekraft ebenfalls im Krankenhaus arbeitet und Zwölf-Stunden-Schichten hat und auch an Wochenenden arbeiten muss. Alle Eltern brachten gestern bei einer Gesprächsrunde im Färberhof zum Ausdruck, wie wichtig die Betreuung ihrer Kinder für sie außerhalb der regulären Kita-Betreuungszeiten ist.

Der Färberhof hat eine lange Erfahrung mit der Abdeckung dieser Zeiten. Nicht erst mit Beginn des Bundesprogramms vor zwei Jahren, sondern schon seit Start der privat geführten Färberhof gGmbH im Jahre 2005 wird dies gemacht.

„Wir haben dabei schon verschiedene Modell ausprobiert“, sagte Marika Mund. Es gab Kooperationen mit Arbeitgebern wie dem Krankenhaus, aber auch selbstzahlende Eltern. „Für viele war das aber nicht erschwinglich“, sagte die Geschäftsführerin. Mit Hilfe des Bundesprogramms kann die Betreuung finanziell gesichert werden, Eltern zahlen lediglich zehn Euro monatlich extra. Im Übrigen werden nicht nur eigene Färberhof-Kinder zu den Randbetreuungszeiten versorgt, sondern derzeit auch acht Kinder aus anderen Stendaler Einrichtungen. Für die Betreuung werden sie sogar von einem Färberhof-Mitarbeiter abgeholt.

Zwei Mitarbeiter und auch der Verwaltungsaufwand werden durch das Bundesprogramm bezahlt. Jährlich sind dies rund 90.000 Euro, sagt Mund. Ab 2020 wird das Programm definitiv auslaufen, weiß die Geschäftsführerin. Dies sei bei Pilotprojekten so angelegt, dass sie dann eigenständig funktionieren sollen. „Wir arbeiten daran, dass sich die Betreuung verstetigt“, sagt sie. Allerdings sei es ihr in 13 Jahren nicht gelungen, die Stadt und den Landkreis von einer Beteiligung zu überzeugen. „Wir haben eine Folgefinanzierung bereits aufgezeigt.“

In einem Schreiben von Landrat Carsten Wulfänger (CDU) hat dieser unlängst angeboten, dass in einem Gespräch Möglichkeiten für eine Verstetigung des Betreuungsangebotes erörtert werden könnten. Wulfänger fungiert als Schirmherr des „Kita plus“-Programms in Stendal, sagt aber auch, das keine finanziellen Mittel vorhanden sind.

„Die Betreuung ist ein wichtiger Faktor für die gesamte Region“, sagte Yvonne Hollmann von der Arbeitsagentur. Sie ist Beraterin für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und ist auch im Bündnis für Familie aktiv. Es gehe um Fachkräfte, die verloren gehen könnten, wenn die Kinderbetreuung nicht abgesichert ist. Zudem gehe es um gleiche Chancen für Männer und Frauen im Beruf, so Hollmann. Mit geringem Aufwand könne ein Angebot ermöglicht werden, das allen Seiten gerecht wird.

Wenn beim Personalschlüssel nur zwei Personen mehr berücksichtigt werden würden, könne das Angebot aufrechterhalten werden, sagte Mund. Mit vier zusätzlichen Mitarbeitern könnten sogar Kinder aus 64 Kitas und Horten (bis 5. Klasse) aus den Bereichen Stendal, Arneburg, Tangermünde, Tangerhütte und Bismark profitieren, hat sie durchgerechnet. Landkreis und Stadt müssten sich mit je 75.000 Euro beteiligen. Die Pauschale für Eltern bliebe bei zehn Euro.

Es sei auch eine Form von Gerechtigkeit, wenn Steuergeld auch für die Betreuung von Kindern außerhalb regulärer Betreuungszeiten ausgegeben wird, findet die Geschäftsführerin. „Wir zahlen alle Steuern“, sagt Mandy Rickmann. Da wäre es schön, wenn auch mal etwas zurückkäme.