1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Komarowschüler stammen aus 20 Ländern

Landtagsfraktion der Linken informierte sich in Stendal über Schulsozialarbeit Komarowschüler stammen aus 20 Ländern

Von Volker Langner 24.04.2012, 05:19

Stendal l "Den Schülern ist es egal, wo jemand herkommt und woran er glaubt. Wichtig ist, was er macht. Bei den Schülern gibt es kein Schubladendenken, wie das häufig bei Erwachsenen der Fall ist", glaubt Roland Herms. Diese Ansicht vertrat der Leiter der Stendaler Komarowschule auch gestern während einer Diskussionsrunde mit Politikern der Linkspartei. Und er sollte es wissen. Kommen seine rund 230 Schüler doch aus 20 Ländern von Algerien bis Weißrussland und gehören acht verschiedenen Religionen beziehungsweise Glaubensrichtungen an.

Birke Bull, bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei im Landtag, und ihre Fraktionskollegin Helga Paschke sowie Abgeordnete aus Kreistag und Stadtrat informierten sich über die Schulsozialarbeit in der Bildungsstätte. Dafür zeichnet vornehmlich Kirsten Hamacher verantwortlich. Seit Juli ist sie an der Komarowschule als Schulsozialarbeiterin tätig. "Der Fokus liegt auf Schulverweigerung", erzählte die 29-jährige Stendalerin. Es gehe dabei nicht allein darum, die aktuelle Quote zu senken, sondern vor allem vorbeugend zu wirken. Durch Arbeitsgemeinschaften wie Fahrradwerkstatt und Schülerzeitung sowie durch Gespräche.

"Bei der Schulsozialarbeit muss man ein besonderes Gefühl für Kinder entwickeln. Das kann nicht jeder. Frau Hamacher kann es", schätzte Herms ein. Wichtig sie es, erklärte er weiter, Kinder und Jugendliche liebevoll an die Hand zu nehmen. Der Schulleiter berichtete von einem Kind, das über einen langen Zeitraum geschwänzt habe, jetzt aber wieder in das soziale Umfeld von Schule und Stadt integriert werde, die "Geborgenheit der Schule" neu erfahre.

Bull erkundigte sich nach Problemen und Chancen "interkultureller Arbeit" an der Schule. Dass die Schüler voneinander lernen, auch den Umgang mit unterschiedlichen Kulturen, sieht Hamacher als einen großen Vorteil an. Als Problem erweise sich mitunter die Verständigung mit Eltern, weil sie über keine oder nur geringe Deutschkenntnisse verfügen. Für ungewöhnliche Situationen sorgen Traditionen einiger Nationen. Wie Herms berichtete, käme schon mal ein Großonkel zum Elterngespräch, weil er eben das Oberhaupt der Familie sei.

"Einige Eltern nehmen Kinder nicht als Pflicht wahr", wies der Schulleiter auf ein Problem hin. In diesem Zusammenhang räumte Roland Herms mit einem seiner Meinung nach weit verbreiteten Vorurteil auf: Migrant gleich Problemfall. Herms: Bei Familien mit Migrationshintergrund sei die Welt zumeist "heil"; aber es gebe "sozial Schwache, die ihre Kinder vernachlässigen". Dabei spiele Alkohol nicht selten eine maßgebliche Rolle.

Und auch auf ein weiteres Vorurteil ging Herms ein. Nur weil 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die an der Komarowschule lernen, aus Familien mit Migrationshintergrund kommen und zahlreiche Eltern Sozialhilfe empfangen, "sind wir keine schlechte Schule". Er führte unter anderem die Mathe-Prüfung vor zwei Jahren an, bei der die "Komarows" mit einem Notendurchschnitt von 2,3 zur Landesspitze zählten, und eine aus Wladiwostok stammende Schülerin, die ihren Abschluss mit 1,0 absolvierte habe.

Die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die aus dem Ausland kommen, besitzt an der Komarowschule einen hohen Stellenwert. Als einzige Schule in Stendal existiert eine Vorbereitungsklasse, in der sie für den regulären Unterricht fit gemacht werden. Das Vermitteln von Deutschkenntnissen steht dabei an erster Stelle. Aber eben nicht nur. So wurde dort ein junger Syrer - er zählt inzwischen 16 Lenze - vorbereitet, der in seinem Heimatland nie eine Schule besucht hatte.

Schule sei aber mehr als Alphabet und Einmaleins, machte Herms klar und fügte an: "Schulsozialarbeit ist unerlässlich." Birke Bull pflichtete ihm bei und war sich sicher: "Es gibt niemanden mehr im Landtag, der die Schulsozialarbeit in Frage stellt." Offen sei allerdings noch die Frage, wer sie künftig finanziert: Europäische Union oder Land und Kommunen.