Wegen Corona Kreistag Stendal fasst seine Beschlüsse per Post
Kommunalparlament des Landkreises Stendal wählt Umlaufverfahren statt einer Präsenzsitzung / Ergebnis steht frühestens am 30. April fest
Stendal
Wenn Corona auf schlechte Internetverbindungen trifft, dann kommt so etwas heraus: Erstmals in seiner 27-jährigen Geschichte fasst der Stendaler Kreistag wichtige Beschlüsse nicht in einer Sitzung sondern im so genannten Umlaufverfahren.
Dabei schickt die Kreisverwaltung die zur Abstimmung stehenden Beschlussvorlagen jedem Abgeordneten und jeder Abgeordneten per Post zu. „Bei den derzeitigen Inzidenzwerten hielten der Landrat und ich es für unverantwortlich, die Kreistagsabgeordneten zu einer Präsenzsitzung erscheinen zu lassen“, sagt die Kreistagspräsidentin und Bismarker Bürgermeisterin Annegret Schwarz (CDU).
Eine Online-Sitzung als Alternative sei verworfen worden, auch weil das Internet noch nicht an allen Wohnorten der Kreistagsabgeordneten ausreichend ausgebaut ist.
Abgeordnete des Kreistages Stendal können eins von drei Feldern ankreuzen
Nun also das Umlaufverfahren, das man sich so vorzustellen hat: Alle relevanten Vorlagen sind mit einem Feld für die drei möglichen Varianten „ja“, „nein“ oder „Enthaltung“ versehen. Die Abgeordneten kreuzen die ihnen genehme Antwort an, stecken am Ende alles in einen frankierten Rückumschlag und schicken ihren geballten politischen Willen zurück nach Stendal.
Einsendeschluss ist der 29. April. „Frühestens am 30. April zählen wir die Resultate aus und haben dann ein Ergebnis“, erläutert die Kreistagspräsidentin. Es handele sich nur um solche Vorlagen, zu denen es vorher eine Diskussion gegeben habe.
Eine Einwohnerfragestunde, wie bei Präsenzsitzungen vorgeschrieben, gibt es bei dieser Methode ebenso wenig wie ein Abwägen der Argumente, das schon öfter zu anderen Entscheidungen geführt hat.
Die Abgeordneten sind also allein mit Stift, Zettel und ihrem Gewissen, wenn sie die Umlauf-Unterlagen für den Rücklauf vorbereiten. Auf dieses Verfahren haben sich die Kreistagsabgeordneten im Vorfeld geeinigt, informierte die Pressestelle der Kreisverwaltung. Mit einer Zwei-Drittelmehrheit (33 von 49 Stimmen) sei das gewählte Prozedere beschlossen worden.
Kreistagspräsidentin Annegret Schwarz: „Das Infektionsrisiko ist einfach zu hoch“
„In der gegenwärtigen Situation erschien uns das Risiko einer Infektion einfach zu hoch“, begründet Annegret Schwarz. „Wenn bei einer Sitzung nur eine Person Corona hat, müssten alle 48 Abgeordneten und der Landrat in Quarantäne. Angesichts dieser Gefährdung haben der Landrat und ich eine Ermessensentscheidung getroffen, die sowohl von unserer Geschäftsordnung als auch von der Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt gedeckt ist.“
Eine Abstimmung per Videokonferenz sei zwar laut Geschäftsordnung ebenfalls möglich, könne aber aus Sicht der Präsidentin gegenwärtig „nicht rechtssicher“ umgesetzt werden. Ein Aspekt seien die möglicherweise instabilen Internetverbindungen. „Wir prüfen Möglichkeiten, künftig Online-Sitzungen abzuhalten, aber derzeit ist das eben noch nicht möglich“, sagt Annegret Schwarz.
Ulrich Siegmund von der AfD-Fraktion übt Kritik
Kritik kommt von der AfD-Fraktion. Deren Vorsitzender Ulrich Siegmund spricht von einem „Demokratieverfall im Kreistag“. Seiner Ansicht nach müssten die Bürger die Debatten zu solch wichtigen Themen wie der Schließung des Krankenhauses Havelberg, der Elbfähre Ferchland–Grieben oder den Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den Landrat verfolgen dürfen. Die Fraktion kritisiert die Vorbildwirkung. Es sei den Bürgern nicht zu vermitteln, dass „man sich als gewählter Kommunalpolitiker nicht einmal mehr unter Einhaltung sämtlicher Hygienemaßnahmen in eine riesige Sporthalle mit deutlich mehr als 1,5 Meter Abstand und permanentem Lüften setzen möchte, während im Bus, im Supermarkt oder beim Arzt im Wartezimmer Menschen weiterhin dicht gedrängt und vollkommen ohne irgendwelche Quarantänevorschriften zusammenkommen dürfen?“
„Die Vorbildwirkung ist genauso wenig gegeben wenn die Bürgerinnen und Bürger schärfste Kontaktbeschränkungen hinnehmen müssen, während sich mehr als 50 Personen zu einer mehrstündigen Sitzung in einem Raum einfinden“, entgegnet Annegret Schwarz.
Das Vorgehen dürfte für Diskussionen sorgen. Hoffentlich kommt die Post pünktlich.