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Läutewerke Die zwei Neuen aus Österreich

Nach drei Jahren Zugangsabstinenz freut sich der Stendaler Eisenbahnhistoriker Wolfgang List über zwei neue Stücke in seiner Sammlung.

Von Donald Lyko 07.10.2018, 01:01

Stendal l Es war im Sommer vor fünf Jahren, als Wolfgang List auf seiner Suche nach interessanten Stücken für seine Läutewerk-Sammlung auf dem Internet-Markt Ebay unterwegs war. Dort stieß er auf Teile eines Tischläutewerkes der österreichischen Bahn, angeboten von einem Händler aus Wien. Nachdem sich beim ersten Angebot kein Interessent gefunden hatte – vermutlich erkannten wenige in den Resten ein Läutewerk – und auch beim zweiten Versuch nicht, Wolfgang List sich zwischenzeitlich beim Anbieter aber per E-Mail als Sammler und Fachmann vorgestellt hatte, kam der Handel am Ende zustande. Am 24. September 2013 traf das Paket aus Wien ein.

„Vorhanden waren nur das Getriebe und zwei Seitenwände. Die Glocke, der Aufziehschlüssel und alles andere haben gefehlt“, erinnert sich der Stendaler. Und so machte er sich wie schon bei anderen Stücken seiner Sammlung an die Arbeit, feilte Teile passend zurecht, bekam handwerkliche Hilfe und Ersatzteile von Nachbarn und Bekannten. „Mit viel Enthusiasmus und aus nüscht“ sei dann wieder ein funktionstüchtiges Tischläutewerk der österreichischen Eisenbahn daraus geworden. Fertig war es am 13. November 2013, also knapp zwei Monate nach Paketankunft.

Dem Anbieter aus Wien schickte Wolfgang List danach Fotos vom Wiederaufbau des technischen Gerätes. „Er war recht begeistert“, erinnert sich der Stendaler. So begeistert, dass er den Kontakt mit Wolfgang List hielt und ihm passende Stücke anbot, wenn er auf solche gestoßen war. So auch Anfang 2015, als in Wien ein Tischläutewerk der Firma Egger auf einen neuen Besitzer wartete. Wolfgang List hat nicht lange überlegt. Dieses Gerät war in einem besseren Zustand, nach einigen Restarbeiten war auch dieses Tischläutewerk nach gut acht Wochen wieder funktionsfähig. Mit beiden Geräten richtete der Sammler in seinem Ausstellungsraum eine Österreich-Ecke ein.

Und die bekommt nun Zuwachs. Gleich zwei neue Stücke hatte er von seinem Wiener Partner angeboten bekommen. Mitte September kam das Paket aus der österreichischen Hauptstadt an. Besonders groß ist die Freude des Sammlers über einen österreichischen Automattaster, einen Signalgeber für ein Läutewerk. „Der hat mir bisher noch gefehlt, danach habe ich lange vergeblich gesucht“, sagt Wolfgang List, der bisher nur einen Signalgeber aus der Schweiz besaß.

Bei dem neuen Stück handelt es sich um einen Signalgeber der Firma Teirich & Leopolder für nur ein Signal: ein Schlag, dann zwei Schläge hintereinander, dann zum Abschluss noch ein Einzelschlag. Das ließ den Eisenbahnhistoriker List aufmerken: „Dieses Signal gab es bei der österreichischen Bahn gar nicht, aber in Polen.“ Vermutlich war es im Grenzverkehr eingesetzt zwischen Galizien, das damals zu Österreich-Ungarn gehört hat, und Polen. Und was wird signalisiert? List: „Schiebelok kehrt zurück an den Ausgangpunkt der Strecke.“ Es wurde genutzt, um bei Rangierarbeiten dem Streckenposten mitzuteilen, wann die Lok wieder in der Gegenrichtung unterwegs ist. Solche Signalgeber gab es in ganz verschiedenen Ausführungen, die meisten mit mehreren Signalen.

Die Signale bei der österreichischen Bahn waren sehr kompliziert. „Wenn man sich vertippt hat, ergab das gleich einen anderen Sinn“, erklärt Wolfgang List. Je nach Schlagfolge wusste der Bahnmitarbeiter zum Beispiel, ob ein Zug kommt oder ein Unwetter angekündigt wird, zwölf Schläge am Mittag dienten zum Uhrenvergleich.

Mit dem Signalgeber wurden die Läutewerke ausgelöst. Betrieben wurden sie auf zwei verschiedene Weisen: mit Dauerstrom, der unterbrochen wurde und so das Signal übertragen hat, oder mit einem kurz eingeschalteten Stromfluss zum Auslösen des Signals.

Und nun zur zweiten Neuanschaffung. Dabei handelt es sich zwar wieder um ein Egger-Tischläutewerk, aber statt der zwei Spulen wie beim 2015 restaurierten hat dieses vier Spulen. „Und dann habe ich ein Detail entdeckt, da beginnt die Sensation“, bringt Wolfgang List seine Begeisterung auf den Punkt. Es sind die treppenförmig angeordneten Zacken, die den Hebel stoppen und ein sofortiges Auslösen des Signals verhindern – eine Art Schutz, damit Entladungen bei Gewitter nicht immer gleich Signale im Bahnverkehr ausgelöst haben. „Es wurde oft an Bahnstrecken im Gebirge eingesetzt“, weiß List, der vor Jahren zusammen mit Hans-Wolfgang Harden das Buch „Elektromechanische Läutewerke der Eisenbahn“ und damit die erste zusammenfassende Darstellung über Läutewerke geschrieben hat. Im Fall des neuen Signalgebers in der Sammlung sind sechs Strom­impulse notwendig, bevor der Hebel komplett herunterfällt und das Signal auslöst.

„Jetzt ist wieder ein Sammlungsziel erreicht“, sagt Wolfgang List. Was ihm noch fehlt, ist zum Beispiel ein französischer Läutesignalgeber.