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Leute Das ist der Neue am Theater der Altmark

Niclas Ramdohr ist neuer musikalischer Leiter des Theaters der Altmark. Zum Auftakt spiet er „Im Theater ist nichts los“.

Von Donald Lyko 26.08.2020, 01:01

Stendal l Am Dirigentenpult fühlt er sich der neue musikalische Leiter am Theater der Altmark ebenso wohl wie auf der Bühne am Klavier. Am Komponieren eigener Stücke hat er ebenso seinen Spaß wie daran, bekannte Stücke neu zu arrangieren. Die großen Revue- und Musicalbühnen, die Konzerthäuser dieser Republik sind ebenso sein Zuhause wie die Intimität kleiner Spielstätten. Niclas Ramdohr möchte sich nicht festlegen, möchte die Abwechslung nicht missen – und dennoch hat er jetzt einen Schritt gemacht, den es in der beruflichen Vita des 53-Jährigen so noch nicht gegeben hat: Er hat ein festes Engagement am TdA angenommen.

„Das ist meine erste wirkliche Festanstellung an einem Haus“, sagt er. Denn nun sei der Moment gekommen, sesshafter zu werden – vor allem wegen der Familie, zu der seine Ehefrau, eine Opernsängerin, und seine zwei Kinder gehören. „Mit einer Familie hat man andere Ansprüche, da möchte man irgendwann ankommen und nicht von Gastspiel zu Gastspiel unterwegs sein.“

Darum hat er sich auf die Suche nach einer festen Stelle gemacht – und sie in Stendal gefunden, nicht allzu weit entfernt von Berlin, wo Frau und Kinder weiter wohnen werden. „Meine Wohnung hier in Stendal nennen wir darum ihre Ferienwohnung, wenn sie mich besuchen.“

Es gab noch einen Punkt, der für eine feste Stelle gesprochen hat: „Es hat mich gereizt, über eine Produktion hinaus gestalterisch tätig zu werden, Aufgaben längerfristig anzugehen.“ Er habe den Eindruck, „dass Stendal ganz offen dafür ist“. Was ihn vor allem freut: „Am TdA gibt es jede Menge Musik, die zieht die Leute ins Theater.“

Bisher war der Wechsel die Konstante im Berufsleben des Komponisten, Arrangeurs und Musikproduzenten. Auftragsarbeiten für Orchesterstücke, Kinderoper, Filmmusik, Musical, Revue, Schauspielmusik – über mangelnde Aufträge konnte sich Niclas Ramdohr auch als Freiberufler nicht beklagen. Er war als Komponist und Arrangeur an mehreren Revuen des Berliner Friedrichstadtpalastes beteiligt, die 2005 dort uraufgeführte Revue „Casanova“ und die 2000er „Revue Berlin“ hat er komplett selbst komponiert.

Für die Berliner Symphoniker hat er ein Konzert für Posaune und Orchester komponiert, das Musikdrama „Verraten und verkauft“ für die Oper Neukölln in Berlin, das Musical „30 60 90° – durchgehend geöffnet“ für das Theater des Westens in Berlin, das Musical „Sondershausen“ für den Thüringer Herbst und und und... Dazwischen gab es immer kleinere Projekte, Musiken für Theaterstücke zum Beispiel oder die Klavierbegleitung für Auftritte von Kabarettistin Désirée Nick und Schauspieler Ben Becker.

Musical und Show auf der einen Seite, Theater auf der anderen – Niclas Ramdohr wollte immer beides. „Es hat sich auch immer etwa die Waage gehalten. Ich konnte beide Seiten wunderbar ausleben.“ Begonnen hat er damit schon recht früh, mit acht Jahren ging er erstmals zum Klavierunterricht. Sein Glück: Sein Klavierlehrer war ein Jazzpianist. Von ihm hat er gelernt, dass es neben den bekannten Stücken, die sie Woche für Woche geübt haben, „auch Musik gibt, die du selbst erfinden kannst“. Die Saat war gelegt – und ging ein paar Jahre später auf.

Als er 16, 17 Jahre alt war, nutzte er die Sommerferien, um für ein Schulprojekt ein musikalisches Bühnenstück nach Michael Endes „Das Gauklermärchen“ zu schreiben. Bei der Umsetzung wurden alle einbezogen, Schüler ebenso wie Lehrer. „Die komplette Schule war im Taumel“, blickt Niclas Ramdohr zurück. Dass aus vielen Bereichen – vom Schauspieler über Kostüme und Kulisse bis zur Musik – eine Inszenierung gemacht wird, „das reizt mich heute noch am Theater“.

Diese Schulinszenierung nennt er heute eine „Initialzündung“ für seinen Berufsweg nach der Schule. An der Hochschule der Künste Berlin studierte er Musikerziehung und Musikwissenschaft sowie Komposition. Dass seine Lehrer die sogenannte E-Musik gleichwertig zur U-Musik, das Ernste und das Unterhaltsame, vermittelt haben, sieht er als Glücksfall. „Für mich gab es diese Trennung nie.“ Und dass er mit Blick auf eine Lehramtstätigkeit auch Pädagogik auf dem Stundenplan hatte, sieht er heute positiv: „Das ist ganz hilfreich bei der Arbeit mit einem Orchester.“

Schon während des Studiums hat er mit dem Komponieren begonnen. Danach ging es dann richtig los, „mit 30 Jahren stand ich in meinem Traumhaus am Dirigentenpult“, schaut der Berliner zurück in die Mitte der 1990er Jahre und ins Theater des Westens. „Es war eine wilde Zeit, in der ich wahnsinnig viel gelernt habe.“

Davon können sich demnächst die Zuschauer im TdA ein eigenes Bild, musikalisch-akustisch betrachtet ein eigenes Ohr, machen. In den Wochen vor den Theaterferien hat er schon mit seinen Kollegen geprobt. Unter anderem für den Liederabend „Im Theater ist nichts los“, in dem laut Ankündigung „Böse Lieder in Aspik“ unter anderem vom Georg Kreisler zu hören sein werden.

Auch wenn er sich vor allem als Komponist, Dirigent und Arrangeur einen Namen gemacht hat, auf die Bühne zieht es den 53-Jährigen immer wieder gern: „Ich genieße es, selbst zu spielen und in die Handlung involviert zu sein.“

Außer bei den „bösen Liedern“, die er mit Schauspielerin Kathin Berg präsentiert, wird er dies im Liederprogramm „Ich war noch niemals in New York – Songs vom Gehen und Bleiben“ genießen können. In beiden Programmen ist auch Musik aus seiner Feder zu hören. Als Komponist gibt er den „Känguru-Chroniken“ seine musikalische Handschrift. Die szenische Lesung wird ebenfalls im September Premiere haben.

In den Pausen, vor oder nach Auftritten, tauscht er die Tastatur gern gegen eine Kamera. Die Liebe zur Fotografie kam am Arbeitsplatz. „Vom Klavier oder vom Dirigentenpult aus hat man einen ganz besonderen Blick, schaut aus einer anderen Perspektive auf das, was um einen passiert.“ Diesen besonderen Blick auf Inszenierungen und Spielorte möchte er für andere einfangen – mit der Kamera. Vor die holt er sich auch immer wieder gern Kollegen – jetzt die des TdA.