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Mammutprozess Ex-Geschäftsführer bekommen Bewährung

Im Prozess wegen Insolvenzverschleppung werden zwei Ex-Chefs einer nicht mehr bestehenden Tangermünder Firma zu Bewährung verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 29.10.2019, 02:00

Stendal l Das Landgericht Stendal hat in einem am 5. März begonnenen Mammutprozess das Urteil gesprochen. Die Berufungskammer unter Vorsitz von Richter Gundolf Rüge hat am 24. Verhandlungstag zwei Stendaler, 50 und 58 Jahre alt, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Vorenthalten von Sozialbeiträgen in einer Vielzahl von Fällen zu je jeweils einjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.

Das mit Verkündung rechtskräftig gewordene Urteil basiert auf einer Verständigung, auch Deal genannt, zwischen Verteidigern, Staatsanwaltschaft und Gericht. Etliche der Anklagepunkte waren im Verlaufe des Verfahrens von der Berufungskammer eingestellt eingestellt worden.

Es blieben 88 Fälle des Vorenthaltens von Arbeitgeber- und Arbeitgeberanteilen sowie in 20 Fällen von reinen Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung. Das Amtsgericht hatte die beiden Ex-Geschäftsführer einer nicht mehr existenten Tangermünder Transport- und Logistikfirma im November 2017 nach über dreimonatiger Verfahrensdauer zu jeweils 21 Monaten Gefängnis verurteilt und die Strafen für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Nach Auffassung des Amtsrichters entgingen den Sozialkassen etwa 130. 000 Euro, weil für die von den Angeklagten beschäftigten, scheinselbstständigen Arbeitnehmer keine Sozialbeiträge abgeführt worden seien.

Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten hatten das Urteil angefochten. Mit der vom Landgericht um neun Monate auf ein Jahr reduzierten Bewährungsstrafe konnten die Angeklagten mit ihrem Rechtsmittel einen Teilerfolg für sich verbuchen.

Die Tangermünder Firma agierte als Nach-Auftragnehmer einer Firma im Brandenburgischen, die wiederum für den bundesweit tätigen Paketdienstleisters „Hermes“ agierte. Als solches ließen die Angeklagten um die 20 angeblich selbstständige, tatsächlich aber arbeitnehmerähnlich beschäftigte Kleinunternehmer mit eigenen, gekauften oder geleasten Fahrzeugen Pakete ausfahren.

Das Amtsgericht hatte den teilgeständigen Angeklagten zugute gehalten, dass sie sich selbst nicht bereichert hätten, sondern „Teil des inzwischen völlig geänderten ‚Hermes-Systems‘“ waren. Für das Ausfahren erhielt die Tangermünder Firma nach seinerzeitiger Feststellung des Amtsgerichts etwa 1,20 Euro je Paket. Davon gingen rund 1,10 Euro an Kosten weg.

Laut Amtsgericht sei das „ein Nullsummenspiel“ und die Insolvenz damit quasi vorprogrammiert gewesen. In die Kosten des Berufungsverfahrens am Landgericht teilen sich nach Auskunft von Gerichtssprecher Michael Steenbuck die Angeklagten mit zwei Dritteln und die Staatskasse mit einem Drittel.