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Mauschelei-Vorwurf Vergabeskandal beim TdA-Projekt?

Ein anonymes Video bringt die Firma Sewe aus Stendal in Misskredit. Deren Geschäftsführer wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Von Donald Lyko 05.06.2020, 19:19

Stendal l Als der Stadtrat im September 2019 über Mehrkosten für die energetische Sanierung des TdA debattierte, trat Christian Röhl, Vorsitzender der Fraktion Freie Stadträte Stendal, ans Mikrofon und berichtete, dass er und andere Fraktionsmitglieder sich vor einer Entscheidung die Unterlagen für das Projekt im Bauamt angeschaut haben und von den Mitarbeitern alle Fragen beantwortet wurden. Dieser Auftritt ist zentraler Teil eines gut dreiminütigen Videos, das einen Skandal bei der Vergabe der Aufträge aufdecken soll. Denn: Christian Röhl ist Geschäftsführer der Stendaler Firma SeWe, und Wolfgang Eckhardt ein Angestellter dort.

Erst sechs Monate nach dem Ratsbeschluss zu den Mehrkosten und den folgenden Sanierungsarbeiten wurden nach öffentlicher Ausschreibung die Bauaufträge vergeben – unter anderem der für die Lüftungs- und Kältetechnik an die Firma SeWe Tief- und Rohrleitungsbau/Anlagentechnik GmbH, Umfang zirka 1,3 Millionen Euro. Die Autoren von Video und Schreiben werfen den beiden Stadträten vor, ihr Wissen aus den Unterlagen (angebliches „Insiderwissen“) für die Angebotserstellung genutzt zu haben und das Mitwirkungsverbot bei der Abstimmung verletzt zu haben.

Erst kurz nach Erscheinen des Videos – die Einspruchsfrist für behauptete Vergabeverstöße war abgelaufen – meldete sich zudem eine im Bieterverfahren unterlegene Firma aus Leipzig und forderte die Stadt auf, der Firma SeWe den Auftrag zu entziehen.

Die beiden Stadträte weisen die Vorwürfe zurück. Die im Video und im Schreiben „enthaltenen Punkte sind abstrus zusammengefügt, entbehren jeglicher Logik und werden bewusst falsch dargestellt“, sagte Christian Röhl auf Nachfrage. Da SeWe bereits rechtliche Schritte „gegen bestimmte Personen“ eingeleitet hat, gebe es von der Firma zum jetzigen Zeitpunkt inhaltlich keine Stellungnahme.

Seit Video und Schreiben aufgetaucht sind, stehe man im Austausch mit der Stadtverwaltung. In der Bewertung seien sich beide Seiten einig, „dass weder vergaberechtliche Verstöße vorliegen noch Verstöße gegen kommunalrechtliche Vorschriften ersichtlich sind“, so Röhl.

Das bestätigt auf Nachfrage Stadtsprecher Philipp Krüger. Die sowohl anonym als auch vom Zweitplatzierten erhobenen Vorwürfe seien „umgehend überprüft“ worden. Es sei richtig, dass die Stadträte Röhl und Eckhardt am 5. September 2019 Teile der Akte zur energetischen Sanierung des TdA eingesehen haben. „Dabei ging es um die Finanzierung der Gesamtmaßnahme“, so Krüger. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder Planungen noch ein Leistungsverzeichnis für die strittige Maßnahme vor.

Die Ausschreibung dieser Maßnahme habe erst im März 2020 begonnen. „Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Stadträte Röhl und Eckhardt Kenntnis von der Kostenschätzung der vorgesehenen Maßnahme erlangt haben.“ Darüber habe die Stadt den Zweitplatzierten informiert, sagte Krüger.

Hatten die Stadträte die Möglichkeit, im Vorfeld etwas über die Angebote anderer zu erfahren? „Bis zur Submission waren die eingegangenen Angebote unter Verschluss. Weder Mitarbeiter der Stadt noch Stadträte hatten Zugriff auf den Inhalt der Angebote. Im Rahmen der vom Stadtrat zu treffenden Vergabeentscheidung wurden die Stadträte dann über die eingegangenen Angebote informiert. Zu diesem Zeitpunkt war eine Änderung der Angebote nicht mehr möglich“, erklärte der Stadtsprecher. „An der Beratung und Beschlussfassung über die Vergabe haben die Stadträte Röhl und Eckhardt nicht teilgenommen.“

Beide weisen darauf hin, dass der Beschluss vom 9. September 2019, Drucksache VII/0065, „im öffentlichen Teil des Stadtrates behandelt wurde. In dem Zuge wurden sämtliche Angaben zu Kosten und Finanzierung öffentlich genannt“.

Wie geht die Stadt nun mit den Vorwürfen um? Grundsätzlich sei es möglich, dass die Stadt den abgeschlossenen Werkvertrag kündigt, so Krüger. Um die Sach- und Rechtslage zu beraten, hat sich Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) am Donnerstag voriger Woche mit den Fraktionsvorsitzenden getroffen, für die Freien Stadträte nahm Jörg Schwarzer daran teil. „Die rechtliche Einschätzung der Beteiligten ging dahin, dass die mögliche Kenntnis von der Kostenschätzung die Kündigung des abgeschlossenen Vertrages nicht rechtfertige, zumal dieser Kenntnis ohnehin nur eine beschränkte Aussagekraft zukäme und eine unberechtigte Kündigung Schadensersatzansprüche der Firma SeWe auslösen könnte“, sagte Philipp Krüger.

Das Vergabeverfahren sei mit der Zuschlagserteilung abgeschlossen. „Im Falle einer – nicht beabsichtigten – Kündigung müsste eine neue Vergabe erfolgen, eine unmittelbare Vergabe an den Zweitplatzierten wäre nicht möglich“, erklärte Krüger. Ein Verstoß der Stadträte Röhl und Eckhardt gegen das Mitwirkungsverbot gemäß Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt „ist nicht erkennbar. An der Vergabeentscheidung haben beide Stadträte nicht mitgewirkt. Zum Zeitpunkt der Akteneinsicht lag noch kein Sachverhalt vor, der ein Mitwirkungsverbot hätte auslösen können“.

Stellt sich die Frage, warum Video und Schreiben in Umlauf gebracht wurden? Dazu hat Christian Röhl eine klare Meinung: „Letztendlich geht es dem Urheber dieser Dokumente unseres Erachtens nur darum, Personen zu diskreditieren. Dem gilt es, entschieden entgegenzutreten.“ Und er fügt hinzu: „Ein ‚Vergabeskandal‘ existiert nur in den Köpfen der anonymen Urheber.“

Die vermutet Christian Röhl im Umfeld der PUI GbR, die in Stendal-Nord ein Grundstück erworben hat, um dort das Baugebiet „Zum Sonnenblick“ umzusetzen. Vor dem Landgericht Stendal läuft derzeit ein Verfahren, weil der Mitbieter SeWe gegen die Hansestadt Stendal klagt, die das Grundstück unter Wert verkauft haben soll. Gerade in letzter Zeit habe es vermehrt „unzutreffende Behauptungen zu angeblichen Mitwirkungsverboten“ und ein „auffälliges Nutzerverhalten bei denen der PUI GbR nahestehenden Personen bei Facebook“ gegeben, so Röhl. Darum könne ein Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren nicht ausgeschlossen werden.

Das Video sei über einen Fake-Account bei Facebook ins Netz gestellt und schon einen Tag nach der Veröffentlichung auf Betreiben der Firma SeWe gelöscht worden. Die Recherchen, wer das Video zuerst geteilt und in Umlauf gebracht hat, hätten ebenfalls zum besagten Personenkreis geführt, so Röhl.

Von der PUI GbR hieß es gestern Nachmittag zu diesem Vorwurf: „Wir haben nichts damit zu tun. Wir verwehren uns dagegen.“

„Da allein das Verbreiten von unwahren Behauptungen strafrechtlich relevant sein kann, gilt es nun zu prüfen, ob gegen diese Absender strafrechtlich oder zivilrechtlich vorzugehen ist“, sagte Christian Röhl. Darum danke er allen, die nach Erhalt von Video und Schreiben „die Absender dieser Fake-News konkret namentlich benannt und Sicherungsmaßnahmen auf ihrem Handy vorgenommen haben“.

Zu den unwahren Behauptungen gehört für ihn auch die, dass der Stadtratsvorsitzende Peter Sobotta, ebenfalls Freie Stadträte Stendal, erfolgreich alle Versuche blockiert habe, „eine Prüfung von Mitwirkungsverboten der Stadträte Röhl und Eckhardt vorzunehmen“. „Das ist unzutreffend und an den Haaren herbeigezogen. Wir haben selbst unser Mitwirkungsverbot angezeigt.“

Bleibt noch eine Frage: Hat dieser Fall Auswirkungen auf das TdA-Vorhaben? Dazu Philipp Krüger: „Die Umsetzung der energetischen Sanierung des Theaters der Altmark wird, wie geplant, durchgeführt.“