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Medizin Ein Kinderarzt geht in Stendal neue Wege

Um die kinderärztliche Versorgung in der Region ist es nicht zum Besten gestellt. Ein neues Modell soll dem Trend entgegenwirken.

Von Antonius Wollmann 08.10.2020, 01:01

Stendal l Wer die Kinderarztpraxis von Hans-Peter Sperling im Schadewachten besucht, muss erstmal die Schuhe ausziehen. „Wir sind sozusagen eine Barfuß-Praxis. Ist aber halb so schlimm, wir haben eine Fußbodenheizung“, sagt der Kinderarzt und lacht. Gut eine Woche nach der Eröffnung ist der Mediziner am Mittwochmittag sichtlich gut gelaunt.

An dieser Stelle wird sich der ein oder andere sicherlich fragen: Ist Hans-Peter Sperling nicht eigentlich Chefarzt der Johanniter-Kinderklinik? Und schließt das eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt nicht aus? Die Antworten fallen jeweils klar aus. Der 53-Jährige leitet tatsächlich seit zwölf Jahren die Kinder- und Jugendklinik und wird dies auch in Zukunft tun.

Ein Ausschlusskriterium für eine eigene Praxis sei dies aber keinesfalls. „Man kann es durchaus als eine Art Modellversuch bezeichnen. Ich bin jedenfalls der erste Chefarzt in Sachsen-Anhalt, der außerdem noch als niedergelassener Arzt arbeitet“, sagt der gebürtige Hannoveraner. Weder die Leitung des Johanniter-Krankenhauses noch die Kassenärztliche Vereinigung – sie vergibt die Kassensitze – hätten etwas dagegen einzuwenden gehabt. Seit etwa zwei Jahren habe er über den Schritt ernsthaft nachgedacht.

Aus seiner Sicht böte das Modell ohnehin viele Vorteile. Einerseits würde es sehr gut zur Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung beitragen. Andererseits die Lücke in der kinderärztlichen Versorgung im Landkreis ein Stück weit schließen. Denn seit er in die Altmark gekommen ist, seien vier Kinderarztpraxen in der Region geschlossen worden. „Patienten werden deshalb immer häufiger von Ärzten, die nicht explizit auf Krankheiten im Kindes- und Jugendalter spezialisiert sind, behandelt“, merkt der Arzt an.

Aus seiner Sicht eine bedenkliche Entwicklung. Um den Bereich der Kinderheilkunde adäquat abzudecken, seien seiner Meinung aber zwingend Fachärzte nötig. Diese kümmerten sich zum Beispiel um die spezielle Entwicklungsdiagnostik bei Kindern. In seiner Praxis wird Hans-Peter Sperling darüber hinaus die Betreuung von Patienten mit angeborenem Herzfehler ausbauen.

Dass die Doppelbelastung zu einem Problem werden wird, glaubt der Arzt nicht. Indes wird er seine Präsenz im Krankenhaus in Zukunft reduzieren, mehr Zeit in seiner Praxis verbringen. Als „Ein-Drittel-Chefarzt“ bezeichnet er sich scherzhaft. In der Klinik könne er sich jedenfalls voll auf sein Team um die beiden Oberärzte verlassen. Am Mittwochnachmittag führt sein weg trotzdem wohin? Ganz genau, ins Krankenhaus.